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Der Tod des Teemeisters

Der Tod des Teemeisters

Titel: Der Tod des Teemeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasoushi Inoue
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beiden Wochen jeden Tag damit verbracht, alte Aufzeichnungen zu durchstöbern und mein Gedächtnis zu durchforsten, um Euch dienlich sein zu können, aber all das ist so lange her. Ich bin nicht sicher, ob meine Auskünfte Euch zufriedenstellen werden.
    Wie froh bin ich, daß ich so alt geworden bin und dies noch erleben darf. Nie hätte ich mir träumen lassen, Euch, Herrn Sōtan, wiederzusehen. Ich hätte versuchen können herauszufinden, was aus Meister Rikyūs Nachkommen geworden ist, aber ich zog es vor, Distanz zu wahren. Als ich dann plötzlich hörte, daß Ihr, Herr Sōtan, in Kyōto ein Teehaus von anderthalb Tatami errichtet habt, hätte mein Erstaunen nicht größer sein können. Nun, im fünften Jahr der Ära Genma 39 , sind es achtundzwanzig Jahre, seit Meister Rikyū von uns gegangen ist,und in dieser Zeit ist sein Stil der schlichten Strenge – man könnte sagen, die Seele seiner Kunst – immer mehr in Vergessenheit geraten, und niemand versteht es mehr, sie auszuüben. Und auf einmal höre ich zu meiner Überraschung plötzlich wieder davon.
    Vielleicht hat der Meister unsere Begegnung aus dem Jenseits heraufbeschworen. Immerhin war im zweiten Monat sein Todestag.
    Es macht mich froh, Euch nach so langer Zeit wiederzusehen. Als es zu dem unglückseligen Vorfall kam, wart Ihr, lieber Herr Sōtan, erst vierzehn Jahre alt, und alles war gewiß sehr schwer für Euch. Ich hatte angenommen, Ihr wart zwar noch ein Kind, aber mit vierzehn konntet Ihr die Grausamkeit des Ganzen gewiß schon ermessen.
    Nach den Ereignissen verweilte ich mehrere Tage wie erstarrt in der verlassenen Villa, ohne Verbindung zu jemandem aufzunehmen, wie es sich gehört hätte. Seither haben wir uns nicht gesehen.
    An jenem Tag neulich war ich so bewegt, daß es mir die Sprache verschlug. Seit ich Euch als Erwachsenen beim Tee vor mir sitzen sah, preise ich mich glücklich, dies noch erleben zu dürfen. Gestattet mir zu sagen, daß Ihr, wiewohl erst Anfang vierzig, weitaus reifer wirkt, was sich gewiß der Ähnlichkeit mit Eurem verehrten Großvater und Eurer Absicht verdankt, seinen unvergleichlichen Teeweg der schlichten Strenge wiederzubeleben. Gewiß habt Ihr es sehr schwer. Ich weiß, daß es in diesen Zeiten keinesfalls leicht sein kann, den Stil Eures Großvaters zu neuem Leben zu erwecken. Doch vielleicht wird Euch großer Erfolg beschieden sein. Warum sollte aus Meister Rikyūs reiner und klarer Teekunst nicht einegroße Schule hervorgehen? Ich sehne diesen Tag herbei, aber darf ich überhaupt hoffen, ihn noch zu erleben? Die Kraft meiner Hüfte und meiner Beine läßt merklich nach. Aber Ihr, Herr Sōtan, wart so gütig und fürsorglich, mich eigens in meiner bescheidenen Klause zu besuchen.
    Was Eure Frage anbelangt, so muß ich erst einmal darüber nachdenken. Natürlich muß ich Euch unverfälscht berichten, was ich bei den Teegesellschaften des Taikō Hideyoshi gesehen und gehört habe. Das ist nicht ganz leicht für mich, da ich schon so lange nicht mehr daran gedacht habe. Nach Meister Rikyūs Ableben wurde der Großfürst für mich zu einem Menschen, den ich verabscheute. Ich konnte ihm gegenüber nicht mehr anders empfinden. In den achtundzwanzig Jahren, die inzwischen vergangen sind, habe ich jeden Gedanken an ihn verdrängt. Sobald auch nur die Ahnung einer Erinnerung in meinem Geist aufzutauchen drohte, habe ich sie verscheucht.
    Bis dahin hatte ich ihn viele Male in der Villa Juraku und im Myōkian gesehen, und auch in der Zeit der Belagerung von Odawara war ich ihm häufig in Hakone begegnet. Später zwang ich mich, ihn völlig aus meinem Gedächtnis zu streichen. Sooft eine Erinnerung an ihn in mir aufstieg, habe ich den Kopf geschüttelt und sie so weit wie möglich verbannt. So viel zu meiner Einstellung zu Taikō Hideyoshi!
    Doch nachdem Ihr mich nun gebeten habt, von seinen Teezeremonien zu berichten, habe ich diese Haltung zum ersten Mal überwunden und mich bemüht, die Erinnerung zu ertragen. In den vergangenen beiden Wochen habe ich meinen Haß unterdrückt und über Hideyoshi nachgedacht,um Euch berichten zu können. Seid versichert, Herr Sōtan, daß ich Euch zuliebe alles möglichst getreu aufzeichnen werde.
    Als unbedeutender Gehilfe war ich nicht häufig bei den Teezeremonien für den Taikō anwesend. Darf ich überhaupt von Anwesenheit sprechen? Wo ich doch allenfalls im Küchenkabinett saß und die Stimmen der illustren Gäste nur hören oder ihre Bewegungen durch die Tür erahnen konnte.
    Am

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