Der Tod des Teemeisters
für Eure Gunst und Großzügigkeit zu danken, ehe wir voneinander scheiden.«
»Es ist unnütz, sich zu trennen.«
»Nein, ich habe den Befehl erhalten, mich zu töten.«
»So seid doch nicht so stur!«
»Ich bin nicht stur. Ihr habt mir schon so viel gegeben. Meine Stellung als Teemeister und die große Ehre, meinem schlichten und strengen Teeweg Eure Unterstützung angedeihen zu lassen, und zum Schluss den Tod, Euer größtes Geschenk. Dank Eurer habe ich zum ersten Mal die Wahrheit des Teeweges erkannt. Seit Ihr mich nach Sakai verbannt habt, bin ich plötzlich frei. Nicht nur mein Leib ist frei, auch mein Geist. Lange Jahre habe ich von der Einfachheit und Strenge des Teewegs dahergeschwatzt, doch all mein Reden und Tun war aufgesetzt und leer. Wabi ist – wie soll ich sagen – zur Essenz des Todes geworden.«
»Genügt das denn nicht? Es wäre mir lieber, Ihr ginget nicht weiter.«
»Exzellenz, so sprecht Ihr jetzt. Gleichwohl habt Ihr als Herrscher Euer Schwert stets ernsthaften Sinnes gezogen. So muß auch ich, Sōeki, das Schwert des Teemeisters ziehen.«
»...«
»Mein Fürst, Ihr habt mich, Sōeki, mit allen meinen guten und schlechten Seiten angenommen. Und dann nur meine guten Seiten. Doch zum ersten Mal habt Ihr mich ganz verstoßen.«
»Aber tut Ihr denn nicht genau das gleiche? Von mir nur das Vorteilhafte nehmen?«
»Ganz recht. Und das ist auch gut so. Dennoch habt Ihr Euer Schwert gezogen. Also kann ich als Anhänger des Teewegs nichts anderes tun, als ebenfalls mein Schwert zu ziehen. Ebenso wie Ihr, mein Fürst, gewisse Dinge wahren müßt, muß ich, Sōeki, als Teemeister das Meine bewahren. Es wäre schön gewesen, wenn Ihr mich ohne Vorbereitung im Zorn niedergestreckt hättet. Dann wären keine Fragen offengeblieben. Aber so ist es nicht gekommen.«
»...«
»Ich habe Euch mißfallen, und Ihr habt den Tod über mich verhängt. Als Ihr mich nach Sakai verbanntet, tatet Ihr dies, ohne auf andere zu hören oder zu achten, ganz als Ihr selbst. Was ist der Tee, was ist Wabicha, von Anfang an hatte das keine Bedeutung. Allein unsere Begegnung zählte. Daß Ihr Ihr werden müßt und ich, Sōeki, Sōeki werden muß, allein das zählt. Dank Eurer bin ich aus einem langen, langen Traum erwacht.«
»...«
»Ihr seid großartig, wenn Ihr das Teezimmer betretet, ein wahrer Kenner. Doch als Krieger seid Ihr, es ist nicht zu leugnen, noch großartiger. Euer jüngster Zorn war rein und klar und Ihr habt den Tee beiseite geschleudert und Eure wahre Größe gezeigt. Dank dessen konnte ich aus meinem langen Albtraum erwachen und zu Sōeki werden, einem wahren Teemenschen. Auf Eure Macht bauend, mein Fürst, habe ich versucht, in dieser Welt einen kleinen Platz zu schaffen, der nichts mit Reichtum, Macht, Denk- oder Lebensweisen zu tun hat. Das war von Anfang an sinnlos. Es reicht aus, daß ich allein an diesem Platz sitze. Törichterweise wollte ich, daß viele Menschen dorthin kommen. Welch sinnloser Irrtum. Das erkannte ich zum ersten Mal, als ich von Euch den Befehl erhielt, mich zu töten. Oder besser gesagt, ich erinnerte mich an etwas lang Vergessenes, nämlich an meine Unreife, als ich Euch den zwei Tatami großen Teeraum im Myōkian einrichten ließ. Dieser Raum wurde auf Euren Befehl geschaffen. Nicht für Euch, sondern für mich. Dennoch habe ich ständig Euch und andere eingeladen.«
»...«
»Bei dieser Erinnerung erwachte mein Herz erstmals seit langer Zeit zum Leben. Der Teepavillon im Myōkian war die Burg des Teemeisters Sōeki. Er hatte nicht einen Soldaten, aber es war eine Burg, in die er sich zurückzog und gegen das Weltliche kämpfte. Dennoch waren die Teepavillons in Kyōto und in Ōsaka für viele gebaut, und ich versuchte, möglichst viele Menschen dort zu versammeln ... das war ein großer Fehler. Damals glaubte ich, sie durch Eure Macht erreichen zu können.«
»...«
»Die Welt des schlichten Teewegs. Schon lange war sie eine unfreie Welt für mich. Doch jetzt, wo ich bereit bin, mit meinem Leben für sie einzutreten, hat sie sich augenblicklich in eine lebendige und freie Welt verwandelt.« »...«
»Seit ich auf Euren Befehl nach Sakai abgereist war, sehe ich meinen Tod, und jede Teezeremonie wurde zu einem Todesschwur für mich. Wenn ich Tee bereite, wenn ich ihn trinke, ist mein Herz ruhig. Der Tod ist mein Gast und Gastgeber zugleich. Mein Meister Jōō hat mir einst gesagt, die höchste Stufe der Dichtung bestünde in Strenge, Kargheit und Kälte, und er
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