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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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blassen Haut ziemlich nackt vor.
    »He, Onkel Paul«, rief sie entrüstet, »du kriegst ja einen Bauch! Schämst du dich gar nicht?«
    Ich zog die kleine Wölbung ein, die das freche junge Geschöpf völlig unberechtigt einen Bauch zu nennen sich unterstand, und drückte die Brust heraus.
    »Von Bauch ist überhaupt keine Rede! Aber selbst wenn, was ginge das dich an?«
    »Komm, komm«, lockte sie und ließ sich, zur Seite rollend, ins Wasser fallen, »den kriegen wir schon wieder weg!« Sie tauchte, eine Fontäne emporblasend, wieder auf und schwamm mir davon. Ich folgte ihr mit einem etwas mißglückten Hechtsprung, obwohl ich diese plötzlichen Berührungen mit dem Wasser durchaus nicht liebte. Glücklicherweise war es fast lau, allerdings nur in der Nähe des Ufers, weiter draußen hatte der kleine See eine Menge eisiger Quellen, die einem den Atem stocken ließen, wenn man sie unvermutet passierte. Von Alexander war weit und breit nichts zu sehen, wahrscheinlich war er dem Bachlauf weiter gefolgt, der am gegenüberliegenden Ufer aus dem See heraustrat und sich zwischen Erlenbüschen in der Landschaft verlor.
    »Alex will eine Räucherkammer bauen«, sagte Hansi, die wie ein Brunnendelphin bei jedem Zug kleine Wasserstrahlen vor sich her spie, »es gibt heuer massenhaft Aale.«
    »Räucherkammer? Keine schlechte Idee«, sagte ich lüstern.
    »Fettes Raicheraal is sich nix gutt fier Bauch!« meinte sie und verschärfte das Tempo. Wir schwammen nebeneinander und hielten uns nah am Ufer, um den Kreis möglichst groß zu machen. Die Sonne strahlte aus einem wolkenlosen Himmel herab, das Wasser war frisch, und ich schwor wieder einmal, von nun an weniger zu rauchen und überhaupt gesünder zu leben und auch daheim jeden Morgen ins Bad zu fahren, nein, natürlich nicht zu fahren, das setzte eben Fett an, sondern zu laufen, ganz schlicht und gesund zu Fuß zu marschieren und überhaupt viel mehr spazierenzugehen, wo man doch den großen Park sozusagen vor der Haustür hatte. Und vielleicht sollte man sich einen Hund anschaffen, keinen Collie oder Setter natürlich, einen Spaniel vielleicht oder einen Terrier, einen kleinen lustigen Burschen, durch den man gezwungen wurde, sich regelmäßig zu bewegen.
    »Worüber denkst du nach, Onkel Paul?«
    »Hetz nicht so fürchterlich!« schnaufte ich. »Das ist ja das reine Wettrennen!«
    »Du müßtest jemanden haben, der dir die Zigaretten zuteilt. Eine zum Frühstück, eine nach dem Mittagessen, eine zum Kaffee und dann noch höchstens drei oder vier über den Abend verteilt.«
    »Ja, natürlich, die verfluchten Zigaretten! Ich müßte mir vielleicht einen Hund anschaffen, der Bewegung wegen...«
    »Du brauchst keinen Hund«, sagte sie und rückte näher an mich heran, »du brauchst eine Frau!«
    Alexanders Anruf enthob mich einer Antwort; er tauchte aus dem Erlengebüsch hervor und schleppte einen Fischkasten mit sich.
    »Hallo, Onkel Paul!« brüllte er übers Wasser und winkte uns zu. Er mochte noch gut zweihundert Schritte entfernt sein, aber das Wasser trug seine Stimme heran, als stände er dicht vor mir.
    »Petri Heil!« gab ich zurück. »Hast du was gefangen?«
    »Elf dicke Aale, solche Kerle!« Er breitete die Arme aus und deutete die Länge von mittelgroßen Anaconden an. »Der geringste hat mindestens drei Pfund. Ich verkaufe den ganzen Fang an den Fischhändler in Altenbruck. Du könntest mir einen Gefallen tun und mir nachher deinen Ottokar pumpen, nur für eine Stunde, ja?«
    »Von mir aus kannst du ihn haben, aber behandle ihn anständig!«
    »Schönen Dank — und jetzt schwimme ich mit euch zurück und hole die Aale nachher ab.« Er zog die kurze Lederhose und das Hemd aus, warf beides neben den Fischkasten ins Gras und sprang splitternackt und braun wie ein Neger ins Wasser. Eine Badehose schien er nicht zu besitzen, denn sogar jene Rundungen, die sonst von der Sonne nicht getroffen werden, waren bei ihm braun wie Nußschalen.
    »So rasch habe ich dich hier nicht erwartet«, sagte er, als er auf mich zuschwamm und mich mit einem leichten Schlag auf die Schulter begrüßte; er blinzelte mir zu und meinte wahrscheinlich, ich sei seines Briefes wegen unverzüglich nach Pertach gekommen. Wir durchquerten nebeneinander schwimmend, Hansi links und Alex rechts von mir, die eisige Strömung des Bachausflusses. Es mußte eine mächtige Quelle sein, die ihn speiste, denn auch in trockenen Sommern sank der Wasserspiegel des Sees nicht, und die Strömung des Auslaufs war

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