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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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so kräftig, daß der Bach ein ideales Forellenwasser gewesen wäre. Leider lohnte sich das Aussetzen von Fischbrut für Pertach nicht, da höchstens hundert Meter des Baches zum Pertacher Gund gehörten.
    »Bist du schon lange hier, Onkel Paul?«
    »Nein, keine halbe Stunde.«
    »Wenn du Lust hast, kannst du ja nachher mit mir nach Altenbruck mitkommen.«
    Wahrscheinlich machte er mir diesen Vorschlag, um mit mir unter vier Augen über seinen Brief sprechen zu können.
    »Was soll er in dem langweiligen Nest?« mischte Hansi sich ein. »Gönn ihm doch ein bißchen Ruhe und Sonne.«
    »Onkel Paul ist ja nicht deinetwegen gekommen.«
    »Na, deinetwegen bestimmt nicht.«
    Sie stritten sich um mich wie zwei Hunde um einen Knochen.
    »Fahr nur allein, Alex«, sagte ich schließlich und gab ihm durch einen Blick zu verstehen, daß wir noch Gelegenheit finden würden, miteinander zu sprechen.
    Wir machten den großen Bogen um den See und schwammen wieder aufs Schlößl zu. Kurz vor dem Ziel drehte Alexander ab und kraulte auf kürzestem Weg zu seinen Kleidern und zum Fischkasten zurück. Ich legte mich neben Hansi auf den sonnendurchglühten Badesteg und bemühte mich, ihr nicht zu zeigen, daß mein Atem rasch ging und daß ich von dem »großen Schwumm«, der eine gute Stunde in Anspruch genommen hatte, ziemlich erledigt war.
    »Willst du nicht die Badehose wechseln?« fragte sie. »Ich kann dir eine von Paps oder von Alex holen.«
    »Warum das?« fragte ich faul und schläfrig.
    »Na«, meinte sie, »ältere Herren kriegen doch so leicht Rheuma oder Ischias, wenn sie das nasse Zeug auf dem Körper trocknen lassen.«
    »Du freches kleines Biest!« Ich packte sie an den Beinen und drehte sie mit einer halben Wendung um ihre Achse vom Steg hinunter. Sie fiel ins Wasser und ging wie ein Stein unter. Ich wartete auf ihr Geschrei und auf ihren Gegenangriff, aber es vergingen zehn Sekunden, dann zwanzig, schließlich eine gute halbe Minute, und nichts rührte sich. Ich beugte mich über die Bretter, und da lag sie schlaff am Grund, ihr Haar wogte wie kupfernes Algengewächs im Wasser, und die Elritzen schossen neugierig heran.
    »He!« schrie ich. »Komm sofort herauf!« Und etwas ängstlicher: »Mach keinen Unsinn!« Hatte sie sich womöglich an einem der Pfähle den Kopf gestoßen? Mir wurde himmelangst, und ich sprang nach, als sie trotz meiner Rufe wie von einem Herzschlag getroffen liegen blieb. Das Wasser war kaum einen Meter tief. Ich bückte mich, griff unter ihren Armen durch und riß sie empor; sie hing schwer und triefend wie eine ertrunkene Katze an meiner Brust, aber als ich sie auf den Steg zerren wollte, um an ihr Wiederbelebungsversuche anzustellen, schlug sie mit dem verteufelten Blick eines Filmvamps die Augen auf und hauchte im Tonfall einer schaurigen Schmierenkomödiantin: »Mein edler Retter!« Ihr Mund kam meinem gefährlich nah. Daraufhin ließ ich sie zum zweitenmal ins Wasser fallen und kletterte auf den Steg zurück, wo ich mir eine trockene Stelle suchte, um es auch von unten warm zu haben. Ich fand, daß die Tochter meines Freundes Stephan Textor allzu scherzhaft aufgelegt war. Sie war inzwischen mit einem Sprung aus dem Wasser auf die Planken gehüpft und drückte ihr Haar aus.
    »Hör mal, mein Herzchen«, knurrte ich sie an, »findest du nicht, daß du meine Geduld auf eine harte Probe stellst und meine Güte schändlich mißbrauchst?«
    »Ach, Onkel Paul«, kicherte sie, und es klang, als mokiere sie sich über das Wort Onkel, »ich habe hier doch so wenig Gelegenheit, zu üben.«
    »Was zu üben?«
    »Nun — Flirt und Tändelei.«
    »Du solltest dich schämen, solche Experimente mit mir zu machen. Such dir dafür die Freunde von Alex aus.«
    »Lauter Idioten«, sagte sie kühl. »Ich kann nichts dafür, ich habe nun einmal eine Schwäche für ältere Herren.«
    »Jetzt langt es aber wirklich!« sagte ich ernsthaft verstimmt und rückte ein Stück von ihr ab. »Ich glaube, deine Mutter wäre nicht erfreut, wenn sie dich so frivol reden hörte.«
    »Frivol«, hörte ich sie murmeln, es klang belustigt, als fände sie das Wort so altmodisch und komisch wie die Röhrenhosen unserer Großväter vor der Erfindung der Bügelfalte durch den Prinzen von Wales. Ich gähnte vernehmlich, rollte den Kopf auf den Arm und schloß die Augen. Sie kroch ein Stückchen näher an mich heran.
    »Bist du müde?« fragte sie. »Oder eingeschnappt?«
    »Ich möchte eine Viertelstunde lang in Ruhe und Frieden dösen,

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