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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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für Schußwaffen Textor im Hause hatte? Sicherlich hatte auch der Staatsanwalt längst Erkundigungen in dieser Richtung eingezogen. Denn es war ja fast mit Sicherheit anzunehmen, daß das Haus in dieser Einsamkeit und mit den Kostbarkeiten, die es in seinen Mauern barg, gegen einen eventuellen Einbruch oder Überfall gerüstet war. So lange man die Pistole, mit der Manueli erschossen worden war, nicht fand, konnte man auch nicht feststellen, wo sie erworben worden war und wer sie gekauft hatte. Aber wenn Victoria Textor die tödlichen Schüsse abgegeben hatte, wie dünn war der Faden, an dem ihr Schicksal hing! Denn es gab doch sicherlich neben mir noch andere Menschen, die sich erinnern konnten, daß Stephan Textor im Besitz von zwei Schußwaffen gewesen war, selbst wenn sie nicht wußten, was für eine Fabrikmarke die Pistole getragen hatte. Wenn sie nur gelesen hatten, daß Manueli mit einer kleinkalibrigen Pistole erschossen worden war, dann mußten sie sich fast zwangsläufig daran erinnern, daß eine Pistole dieses Kalibers sich in Textors Besitz befunden hatte. Und die Tatsache, daß Manueli sich kurz vor seinem Tod im Georgischlößl aufgehalten hatte, war in den Zeitungsberichten über den Fall nicht verschwiegen worden, wenn auch der Dorfklatsch selbst in den Sensationsblättern noch keinen Niederschlag gefunden hatte, der Textorsche Wagen sei zur Nachtzeit in Achenreuth gesehen worden.
    Mir drehte sich ein Rad im Schädel herum.
    Auf dem Rasenstück zwischen der Rückfront des Hauses und dem eingezäunten Gemüsegarten hängte Sofie die Wäsche auf, eine Menge Bettzeug und Leibwäsche. Die bereits getrockneten Stücke legte sie in einen großen Korb. Ich vermißte es fast, daß sie nicht wie sonst die Melodien des Vormittagskonzertes mitpfiff, die aus dem Radio in Hansis Zimmer ertönten. Denn wenn die Natur ihr auch die Stimme genommen hatte, so konnte sie doch so kunstvoll pfeifen, daß sie in jedem Kabarett hätte auftreten können. Um Sofie die Arbeit zu versüßen, schien Hansi den Apparat aufs Fensterbrett gestellt zu haben, und ließ ihn mit voller Lautstärke spielen.
    In der Ecke eines Sofas, das einst sicherlich zum Inventar eines verbuhlten Lustschlößchens gehört hatte, machte ich es mir bequem, zündete mir eine Zigarette an und versuchte, meine Sorgen und Gedanken mit einem Jahrgang der »Weltkunst« zu betäuben, deren Ränder mit vielen Anmerkungen von Stephan Textors Hand bedeckt waren. Aber die Gedanken waren keine Fliegen, die man mit einem Weidenzweig fortwedeln konnte. Sie quälten und bedrängten mich, bis ich endlich von ihnen durch ein Hupsignal erlöst wurde, mit dem Victoria Textor ihre Ankunft auf dem Hof meldete. Ich ging hinunter, um sie zu begrüßen. Sie trug ein braunes Tweedkostüm mit locker geschnittener Jacke, niedrige, derbe Schuhe und eine kleine Schirmmütze aus braunem Wildleder und sah in dieser sportlich eleganten Aufmachung wie Diana selber aus. Hansi kniete in ihrem schwarzen Chintzrock mit den großen Pastellblumen zu ihren Füßen und gebärdete sich ebenso verrückt wie der rotbraune Setter, der sich mit seinen dicken Kinderpfoten in den Boden stemmte und schrill kläffend mit dem nadelspitzen Milchgebiß an einem Topflappen zerrte, mit dem Hansi aus der Küche Vicky entgegengelaufen war.
    »Ist er nicht süß, Onkel Paul? Ist er nicht goldig? Sag, Vimmy, wie heißt er?«
    »Dandy — aber ich überlasse es dir, ihn anders zu nennen, wenn dir der Name nicht gefällt.«
    »Dandy klingt ein bißchen vornehm, findest du nicht auch, Onkel Paul? Aber schließlich ist er ja auch ein Gentleman aus Irland. Also, weshalb soll er nicht Dandy heißen?«
    »Gewiß, und wenn dieser Gentleman aus Irland die Neigung haben sollte, sich in faulen Fischen zu wälzen, dann habt ihr ja Wasser genug in der Nähe, um ihn wieder salonfähig zu machen.«
    Ich kam endlich dazu, Victoria die Hand zu schütteln. Das Dianenhafte ihres Auftretens war nur Schein, ihre Wangenmuskeln vibrierten vor Nervosität. Ich hatte das Empfinden, daß sie dicht vor einem Zusammenbruch stand und sich nur mit äußerster Willensanstrengung aufrecht hielt.
    »Ich habe Alex unterwegs getroffen, deshalb wußte ich schon, daß Sie hier sind, Paul. Er wird auch jeden Augenblick zurückkommen.« Sie sah mich mit flackernden Pupillen an. »Führt Sie irgendein besonderer Anlaß her?«
    »Nur der Wunsch, Sie und die Kinder einmal wiederzusehen, zu baden, was ich bereits getan habe, und einen dicken Aal zu

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