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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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essen, was mir noch bevorsteht.«
    »Das freut mich, Paul. Sie sollten sich viel häufiger bei uns sehen lassen.«
    Dandy war das Spiel mit dem Topflappen zu langweilig geworden, die bunten Blumen auf Hansis Rock schienen ihn mehr zu interessieren. Sie drehte sich in einem Wirbel herum, daß der weite Rock wie eine Glocke um ihre braunen Beine wehte, während Dandy emporzuspringen und einen Zipfel zu erwischen versuchte. Aber seine Beine trugen den dicken Bauch noch nicht, und sein faltiges Hundekindergesicht wurde immer trauriger. Es war ein reizendes Bild, und ich bedauerte, meinen Apparat daheimgelassen zu haben.
    »Lassen Sie sich nicht stören, Paul, wenn ich heute nachmittag in die Klinik fahre. Ich will über Nacht in der Stadt bleiben. Ich mache mir um Stephan große Sorgen. Die Ärzte verbieten es ihm nicht mehr, zu sprechen. Sie erhoffen sich davon eine kleine Aufmunterung. Aber er ist völlig apathisch und starrt nur gegen die Decke. Vielleicht haben ihm die Ärzte auch eine gewisse Angst eingejagt, daß er es mit starken, periodisch auftretenden Kopfschmerzen büßen müsse, wenn er sich zu früh überanstrengt. Nun, Sie kennen ja Stephans panische Furcht vor Krankheiten.«
    »Ziemlich typisch für einen Mann, dem sein Leben lang nichts gefehlt hat und der immer, wenn man einmal von seinem Körper sprach, sagte: was, Körper? Kenn' ich nicht, hab’ ich nicht, spür’ ich nicht.«
    »Um so schwieriger ist jetzt mit ihm auszukommen. Ich bin nur froh, daß Schwester Mechthildis solch eine Engelsgeduld hat. Aber wie steht es mit Ihnen, Paul, soll ich Sofie sagen, daß sie Ihnen Ihr Zimmer herrichten darf?«
    »Schönen Dank, aber ich muß abends daheim sein.«
    »Weshalb eigentlich, Onkel Paul?« rief Hansi. »Du könntest doch ein paar Tage hierbleiben! Niemand würde dich bei der Arbeit stören, und es wäre doch nicht das erstemal, daß du hier schreibst.«
    »Das können Sie wirklich tun, Paul«, sagte auch Victoria, »es Wäre mir sogar eine große Beruhigung, Sie hier zu wissen.«
    »Und abends könnten wir nach Altenbruck ins Kino fahren oder eine Erdbeerbowle ansetzen«, fügte Hansi lockend hinzu. »Ich habe schon ein paar reife entdeckt.«
    »Nein, Kind, im Augenblick geht es wirklich nicht. Ein paar Wochen später nehme ich die Einladung gern an.«
    »Wir sehen uns dann beim Essen wieder, Paul. Ich habe inzwischen noch einiges zu erledigen.«
    Victoria nickte mir zu und ging ins Haus. Hansi hob den kleinen Hund empor und drückte ihn zärtlich ans Herz. Soeben aus dem Zwinger gekommen, wo er sich nur mit seinen Geschwistern ums Gesäuge gebalgt hatte, schien er menschliche Berührungen als lästig zu empfinden und schnappte nach Hansis Ohr; aber er erwischte nur ein paar Haare und zog ein unbeschreiblich komisches Gesicht, um sie aus den Zähnen zu stoßen.
    »Ach, Onkel Paul, und ich hätte mich so gefreut, wenn du ein paar Tage bei uns geblieben wärest! Wo jetzt das Wetter so schön ist...«
    »Später, Hansi, ich bin im Augenblick mit meiner Arbeit an einer zähen Stelle, und ich brauche meine vier Wände, um mich darauf zu konzentrieren und über die Stockung hinwegzukommen.«
    »Komisch, daß ich noch nie in deiner Wohnung war. Wie lebst du eigentlich? Wie sieht deine Wohnung aus?«
    »Schrecklich normal, ganz ohne Tintorettos und ganz ohne Barock. Und überhaupt in der Ausdruck Wohnung viel zu pompös. Es sind zwei Zimmer und eine winzige Küche in der Mansarde eines Mietshauses, fünf Stockwerke hoch, wie auf einem Turm...«
    »Oh, das wäre mein Traum«, sagte sie.
    »Was? Die Höhe etwa?« fragte ich und nahm ihr Dandy ab, um ihn auf die Erde zu setzen, denn er wurde plötzlich so merkwürdig still und verträumt.
    »Eine normale Wohnung in einem normalen Stadthaus! Lange halte ich es hier nicht mehr aus. Hier wird man doch verrückt. Ich verstehe Paps nicht, wie er sich am Ende der Welt ansiedeln konnte. Ja, wenn es nur ein Sommersitz wäre... Aber noch einen Winter mache ich hier nicht mit!«
    Nun, ich kannte die Pertacher Winter zur Genüge. Wenn die Bauern kein Holz fuhren, dann war der Weg zum Georgischlößl oftmals vierzehn Tage lang unter meterhohem Schnee begraben und für jedes Auto unpassierbar; wer zum Einkäufen nach Achenreuth ging, mußte sich die Skier unterschnallen. Für Hansi mit dem gesunden Appetit ihrer achtzehn Jahre auf Kinos, Museen, Theater und Konzerte wurde Pertach dann zur anderen Seite des Mondes.
    »Wenn deine Eltern es erlauben, werde ich dich und Alex im

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