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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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geahnt hätte, wer der Besucher sei, an mir vorbei und die Treppe zur Bibliothek empor.«
    Ich nickte; ihre Darstellung entsprach genau der Schilderung, die Stephan Textor mir gegeben hatte. Die Blätter knisterten in meiner Brusttasche.
    »Wer hat dich veranlaßt, zu mir zu kommen?«
    »Bevor sie von Pertach abfuhren, sagte Vimmy, jemand von uns solle so schnell wie möglich zu dir fahren.«
    »Bist du mit dem Wagen gekommen?«
    »Nein, Alex brachte mich nach Achwalchen zur Bahn. Er meinte, der Wagen könne in Pertach vielleicht notwendig gebraucht werden.«
    Ich zündete mir eine Zigarette an, obwohl ein Schild die Besucher der Klinik höflich ermahnte, das Rauchen im Brunnenhof zu unterlassen. Ich hatte die Zigarette zu lange entbehrt.
    »Ich nehme an, du bist fest davon überzeugt, daß deine Mutter mit dem Tode Manuelis nichts zu schaffen hat?«
    Sie preßte die Fäuste gegen den Mund, und ihre langen Wimpern flatterten. Und dann nickte sie stumm. Es sah aus, als ob sie an das Gegenteil glaube und mir nur zustimmen wolle, um mich nicht zu enttäuschen. Vielleicht glaubte sie auch, ich wolle ihr diesen Gedanken suggerieren, weil ich damit einen bestimmten Plan zu Victorias Verteidigung verfolgte.
    »Hör zu, Hansi«, sagte ich und zwang sie, mir in die Augen zu blicken, »was ich dir jetzt sage, ist die reine Wahrheit. Es wäre sinnlos, dir eine Lüge aufzutischen, damit du dich beruhigst: deine Mutter hat mit dem Tod Manuelis nichts zu tun!«
    »Mein Gott«, stöhnte sie auf, »weshalb hat sie es dann nicht abgestritten und sich mit Händen und Füßen gegen ihre Verhaftung gewehrt?«
    »Weil sie überrascht war, oder weil sie keine Zeit fand, sich zu wehren, oder weil sie sich und euch ein Schauspiel ersparen wollte, das zu diesem Zeitpunkt doch zwecklos gewesen wäre, was weiß ich!«
    Sie griff nach meinen Händen und klammerte sich daran fest. »Ach, Paul, ist es wirklich wahr, daß Vimmy nichts damit zu tun hat?«
    »Wie oft soll ich es dir noch wiederholen?« rief ich ungeduldig und bemerkte erst jetzt mit leichtem Befremden, daß es zum dritten- oder viertenmal geschah, daß Hansi mich einfach beim Vornamen nannte, ohne den von Kind an gewohnten »Onkel« davorzusetzen. »Es wird jetzt Zeit, Hansi, daß du zu deinem Vater gehst.«
    »Bitte!« rief sie und hob mir die gefalteten Hände entgegen, »nimm mir diesen Weg ab. Ich weiß genau, daß ich kein Wort über die Lippen bringe. Er hat schon so viel auszuhalten. Und jetzt noch das! Nein, ich bringe es einfach nicht fertig...«
    Lieber Gott im Himmel, dachte ich, es bleibt mir auch nichts erspart! Ich gab Hansi meine Wagenschlüssel, erklärte ihr, wo ich geparkt hatte, und bat sie, im Wagen auf mich zu warten. Und während ich die Treppen wieder emporstieg, überlegte ich die Ausrede, die ich vor Stephan Textor gebrauchen würde, um ihm zu erklären, wie ich zu der Nachricht von Victorias Verhaftung gekommen war. Aber ich hatte es nicht nötig, eine Ausrede zu gebrauchen. Als ich in sein Zimmer kam, hatte er die Visite von Professor Salfrank gerade hinter sich.
    »Haben Sie etwas vergessen, Paul?« fragte er.
    »Sie müssen sich auf eine schlimme Nachricht gefaßt machen.«
    »Seien Sie unbesorgt«, sagte er mit grimmigem Humor, »Umfallen kann ich nicht.«
    »Victoria ist heute früh um zehn Uhr vom Staatsanwalt verhaftet worden. Unter Mordverdacht. Was soll jetzt mit den Papieren geschehen, die ich bei mir trage?«
    Meine Mitteilung überraschte ihn nicht sonderlich, fast schien er sie erwartet zu haben. Seine Antwort kam rasch und ohne Zögern.
    »Ich werde Sie heute abend gegen zehn Uhr anrufen oder Ihnen sagen lassen, daß Sie die Papiere weitergeben dürfen. Ich nehme an, daß Sie sie Herrn Wildermuth übergeben wollen?«
    »Ja, ich habe an ihn gedacht.«
    »Wenn Sie jetzt heimfahren, wird es am besten sein, wenn Sie sich sogleich mit ihm in Verbindung setzen. Sagen Sie ihm, daß Sie in der Sache Manueli eine sehr wichtige Mitteilung zu machen hätten, und bitten Sie ihn, sich für Ihren Besuch bereitzuhalten.«
    »Ich werde ihn sofort anrufen.«
    »Dann bleibt es also bei unserer Verabredung.« Er hob die Hand zum Gruß und ließ sie wieder sinken. »Auf Wiedersehen, Paul — und seien Sie mir nicht böse, daß ich Ihnen so viel aufbürde.«
    Ich verließ das Zimmer zum zweitenmal und stieg langsam die Treppen hinab. Hansi erwartete mich im Wagen. »Hast du es Paps gesagt?« fragte sie mit einer Stimme, als bewundere sie meinen Mut. »Und wie hat

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