Der Tod des Zauberers
ich, außer wenn Frau Feuffert energisch auf einer Großreinigung bestand, selber.
Die kurze Zeit, die Hansi sich in der Küche aufhielt, nutzte ich aus, um Wildermuth anzuläuten. Ich sagte ihm, daß ich soeben von der Verhaftung Victorias benachrichtigt worden sei. Er brummte in den Apparat, daß er diese Verhaftung nicht veranlaßt habe und daß er sie zum mindesten für verfrüht halte. Dann bat ich ihn, sich für mich zwischen zehn und elf Uhr abends freizuhalten, da ich ihm eine für den Fall Manueli außerordentlich wichtige Mitteilung zu machen hätte. Ich fügte hinzu, daß ich ihn seiner Zeit nicht berauben würde, wenn ich für meinen Besuch nicht zwingende Gründe hätte, die auch für ihn von großer Wichtigkeit wären. Er antwortete mir, daß er sich ohnehin aus dienstlichen Gründen bis Mitternacht im Präsidium aufhalten werde und daß er mich in seinem Büro erwarte.
Hansi hatte inzwischen den Tisch gedeckt. Von meiner Unterhaltung mit Wildermuth schien sie nur mitbekommen zu haben, daß ich noch zu später Stunde eine Verabredung hätte.
»Oh«, sagte sie enttäuscht, »muß das ausgerechnet heute sein?«
»Ja, leider läßt es sich nicht aufschieben. Aber was berührt es dich schon? Um diese Zeit liegst du längst im Bett.«
»In Pertach schon, aber doch nicht hier! Aber schön, dann lese ich eben ein paar Stunden lang und warte auf dich.«
»Wo?« fragte ich.
»Komische Frage. Hier, natürlich. Ich schlafe auf der Couch. Ich habe sie schon ausprobiert, sie ist fabelhaft bequem. Federkernmatratzen, nicht wahr?«
»Ich habe dir schon einmal gesagt, es kommt überhaupt nicht in Frage, daß du in meiner Wohnung übernachtest!« sagte ich nervös und verstimmt. »Ich werde dir nachher ein Hotelzimmer bestellen und werde dich ins Hotel bringen, wenn es Zeit ist. Ich erwarte gegen zehn Uhr einen Anruf, von dem es abhängt, ob ich heute noch den Herrn aufsuchen muß, mit dem ich vorher telefoniert habe. Zum Abendessen lade ich dich ins Hotel ein, einverstanden?«
»Aber Vimmy hat extra gesagt, daß ich dir keine Kosten machen soll...«
»Erstens hat sie das nicht gesagt, und selbst wenn sie es gesagt haben sollte, dann hat sie nicht angenommen, daß du über Nacht von zu Hause fortbleiben würdest. Schluß jetzt! Und schenk den Kaffee ein.«
Sie machte die Brote zurecht, die ich geschnitten hatte, klemmte sie in den Toaströster und bestrich sie noch warm mit Butter und Honig. Die Farbe war in ihr Gesicht zurückgekehrt; sie sah reizend aus und war fraglos das hübscheste Mädchen, das ich je in diesen Wänden empfangen hatte. Sie aß mit gutem Appetit und genierte sich nicht, vier Scheiben Brot zu verzehren und drei Tassen Kaffee zu trinken. Ich selber war mit einem dünnen Stückchen Butterbrot reichlich bedient. Das Essen ging mir nicht durch den Hals, und ich hätte etwas darum gegeben, nach diesen Stunden, die ich bei Stephan Textor verbracht hatte, allein sein zu dürfen. Nach dem Kaffee zündete ich mir eine Zigarette an.
»Du könntest mir auch eine anbieten, Paul...«
»Möchtest du nicht doch lieber zu der alten Anrede zurückkehren?« fragte ich nervös.
»Nein, ich möchte nicht!« antwortete sie sehr bestimmt.
»Und außerdem: seit wann rauchst du?«
»Och — hin und wieder, und einmal muß man ja damit anfangen...«
»Man muß durchaus nicht! Ich wäre froh, wenn ich damit nie angefangen hätte!«
»Nun spiel mal den Kavalier und sei ein bißchen nett zu mir. Ich bin schließlich kein kleines Mädchen. Früher waren Mädchen in meinem Alter längst verheiratet, hatten Kinder und galten in der Gesellschaft als Damen. Bitte sehr, ich habe erst vor drei Tagen >Effi Briest< gelesen. Sie war noch keine siebzehn, als sie heiratete. Und ihr Innstetten war genauso alt wie du, achtunddreißig...«
»Und genauso ist die Geschichte dann auch ausgegangen!« sagte ich und hustete nervös. Das Gespräch behagte mir nicht. Ich spürte eine Absicht dahinter, die mich verwirrte und in meiner Haltung Hansi gegenüber unsicher machte. Sie kokettierte offensichtlich mit mir und entwickelte dabei so viel Charme, daß ich mit Bestürzung eigentlich zum erstenmal wahrnahm, wie hübsch und wie erwachsen sie war und wie sehr sie Victoria ähnlich wurde, besonders in der Stimme und der Art, die Hände zu bewegen.
»Komisch«, lächelte sie und ließ sich von mir Feuer für ihre Zigarette geben, »auch Innstetten war ein alter Verehrer von Effis Mutter. Sicherlich verliebte er sich in sie, weil
Weitere Kostenlose Bücher