Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
sie ihn so sehr an die Frau erinnerte, die er nicht bekommen konnte. Du warst doch einmal in Vimmy verliebt, Paul, nicht wahr?«
    »Was, zum Teufel, soll das >Auch<, und was soll es, daß du dauernd auf dem alten guten Fontane herumreitest?«
    Sie schlug die Beine übereinander, strich den Rock glatt und lehnte sich tief in den großen Ohrensessel zurück.
    »Ach, nichts Besonderes, es ist einfach so, daß der Roman mich sehr gefesselt hat. Aber Innstetten mit seinen ewigen Grundsätzen und seiner Sorge um seine Karriere und mit seinen Erziehungsversuchen finde ich einfach gräßlich. Ich wäre ihm an Effis Stelle auch durchgegangen, wenn auch nicht gerade mit Herrn von Crampas. Und der war ja noch ein paar Jahre älter als Innstetten. Du siehst also...«
    »Was soll ich sehen?« fragte ich immer nervöser werdend.
    »Zwischen den beiden war der Altersunterschied noch größer. Mindestens fünfundzwanzig Jahre. Und das ist ja nun wirklich ein bißchen viel. Besonders, wenn man sich die Männer von damals vorstellt. Aber wenn ich dich auch mit dem jüngeren Innstetten vergleiche... Dagegen bist du ein Jüngling.«
    Es blieb mir fast nichts anderes übrig, als den Ball aufzunehmen, den sie mir zugespielt hatte.
    »Es war eine andere Generation; sie legte Wert darauf, würdig und respektabel zu wirken. Sie machte sich durch Bart und Bauch künstlich älter, weil junge Leute nicht gefragt waren. Selbst mein Vater .sah mit dreißig wie ein Fünfzigjähriger aus, und ich fürchte, er war es in mancher Hinsicht auch innerlich. Dabei gehörte er schon einer ganz anderen Generation als der an, die Fontane beschreibt.«
    »Sieh dir dagegen einmal Paps an, der demnächst sechzig wird!«
    »Er ist eine Ausnahme.«
    »Ich bin davon überzeugt, daß du mit sechzig geistig und körperlich genauso beweglich sein wirst wie heute.«
    »Vielleicht«, murmelte ich.
    »Dann bin ich vierzig.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Nun, daß sich der Altersunterschied um so mehr verwischt, je älter man wird, nicht wahr?«
    »Gewiß, wenn ich neunzig bin, dann tun dir mit siebzig die echten Zähne auch nicht mehr weh.«
    »Na, siehst du!« sagte sie und breitete die Hände gegen mich aus, als ob ihr ein mathematischer Beweis einwandfrei gelungen sei.
    »Und was soll nun dieses Rechenkunststück?« fragte ich, denn allmählich begann mich die Unterhaltung doch zu amüsieren.
    Sie sah mich an, als wundere sie sich über meine Begriffsstutzigkeit. Aber in diesem Augenblick läutete das Telefon auf meinem Schreibtisch. Ich ging hinüber und hob den Hörer ab. Alexander war am Apparat. Ich winkte Hansi heran, und sie lauschte neben meinem Ohr in die Muschel.
    »Ist Hansi bei dir, Onkel Paul?«
    »Ja, sie steht neben mir am Apparat.«
    »Hat sie es Paps beigebracht?«
    »Ich habe es ihr abgenommen. Es war besser so.«
    »Und? Was hat er gesagt?«
    »Er hat es sehr ruhig aufgenommen. Und um es gleich vorwegzunehmen, diese Verhaftung ist ein Irrtum, der sich bald aufklären wird!«
    »Verteilst du Beruhigungspillen, Onkel Paul?«
    »Nein, ich weiß es ganz bestimmt! Du brauchst dir keine Sorgen um deine Mutter zu machen.«
    »Ach, Onkel Paul, ich bin ganz erledigt! Und draußen vor der Hecke stehen die Bauern von Achenreuth und glotzen in den Hof. Und auf dem Weg ist die reine Prozession... Es ist zum Verrücktwerden! Ich trau’ mich nicht mehr aus dem Haus.«
    »Nimm es nicht schwer, mein Junge! Das geht vorüber.«
    »Wann kommt Hansi zurück?«
    »Morgen im Lauf des Tages. Ich bringe sie selber nach Pertach.«
    »Na, Gott sei Dank, bis dahin werde ich ja nicht verhungern.«
    »Weshalb verhungern?«
    »Sofie hat sich in ihre Kammer eingesperrt und spinnt. Ich dachte schon, sie hätte sich was angetan. Du weißt ja, wie sie an Vimmy hängt. Aber als ich ihre Tür eintreten wollte, da hat sie sich dann endlich gemeldet. Sie ist völlig durchgedreht. Wirklich keine angenehme Gesellschaft. Ich werde froh sein, wenn ihr kommt!«
    »Also bis morgen, Alex — halt, Hansi will dich noch sprechen!«
    Ich gab ihr den Hörer, und sie erinnerte Alexander daran, Dandy nicht zu vergessen und zu berücksichtigen, daß Dandy eben noch sehr jung sei. Wahrscheinlich hatte sich Alex darüber entrüstet, daß Dandy nicht stubenrein sei und daß er das zweifelhafte Vergnügen hätte, mit Kehrichtschaufel und Wischtuch hinter dem Hund herzulaufen.
    »Dandy hat Alex zwei Krawatten zerbissen... Weshalb läßt er auch alles herumliegen?«
    Sie kehrte zu ihrem Sessel

Weitere Kostenlose Bücher