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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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nahe, sondern es wären nur so Flüchtigkeiten...«
    »Lieber Gott!« stöhnte ich überwältigt, »Flüchtigkeiten!«
    »Jetzt lachst du über mich. Ich fände es viel netter von dir, wenn du mich endlich küssen würdest. Ich habe so lange darauf gewartet.«
    Sie trat mir einen kleinen Schritt entgegen, und dann schlang sie mir die Arme um den Hals und schmiegte sich an mich. Ihr Haar und ihre Haut dufteten unsagbar frisch und süß, und ich gab es auf, mich länger zu wehren; ich nahm Hansi in meine Arme und küßte sie, ihren Mund und ihre Augen und die pfirsichzarte Haut ihres Halses, unter der die Schlagader pochte, und ich beruhigte die Stimmen, die mir zuriefen, daß diese Küsse ein Wahnsinn seien, mit dem Gedanken, daß Hansi schon morgen meiner Liebe, meines Trostes und auch der Lebenserfahrung meiner Jahre bedürfen werde...
    »Endlich!« flüsterte sie an meinem Ohr. »Es ist wunderbar! Ich möchte so klein sein wie eine Hundelaus und in dich und in deine Wärme hineinkriechen.«
    »Du hast erschütternde Wünsche, mein Liebling, aber bleibe bitte so, wie du bist, es ist mir bedeutend lieber. Und mach dich jetzt hübsch, denn unser Tisch ist bestellt, und ich möchte den Leuten zeigen, was für ein entzückendes Mädchen ich erobert habe.«
    »Du? Das war ganz allein mein Werk. Und du hast es mir wirklich schwer genug gemacht!«
    Sie führte ihre Fingerspitzen an die Lippen und drückte sie an meinen Mund. Weiß der Himmel, woher dieses Mädchen solch zärtliche Spiele kannte. Es schien eine Naturbegabung zu sein.
    »Bist du mir wegen des Lippenstifts noch böse?«
    »Nein, mein Liebling, ich finde dein Temperament reizend; aber wenn du alle Aschenbecher, Blumenvasen, Bilder und sonstigen Erinnerungsstücke an alte Freundschaften zum Fenster hinausfeuerst, dann wirst du unten ein paar Spaziergängern den Schädel einschlagen.«
    »Du hast natürlich unzählige Mätressen gehabt!« sagte sie düster und vergrub die Fäuste in den Taschen meines Mantels. »Gib es ruhig zu. Von einer habe ich einen Brief im Handschuhkasten deines Wagens gefunden. Sie hieß Gaby, und du warst mit ihr in Salzburg und in Sankt Wolfgang. Ich habe den Brief verbrannt.«
    »Mätressen... Wo hast du bloß diese antiquierten Ausdrücke her?«
    »Du weichst mir aus, Paul. Du sollst zugeben, daß du vor mir viele andere Frauen geliebt hast! Ich möchte wetten, daß deine zehn Finger und die Fußzehen nicht ausreichen, wenn du zu zählen anfängst.«
    »Du scheinst mich ja für einen tollen Burschen zu halten. Ich bin es nicht. Ich bin es wirklich nicht. Aber natürlich, Liebling, in den zwanzig Jahren, die ich dir leider voraushabe...«
    »Oh, diese verdammten zwanzig Jahre!« sagte sie grimmig und verschwand im Badezimmer. Ich blieb einigermaßen betäubt zurück. Die Tatsache, daß ich mich von nun an als Hansis »Bräutigam« zu betrachten hatte, wollte mir nicht in den Kopf. Allein schon das Wort Bräutigam bereitete mir Unbehagen. Es hatte den gleichen faden Beigeschmack, den man als Bub oder junger Mann empfand, wenn man Knabe oder gar Jüngling genannt wurde. Der alte Konsistorialrat Burian, der mich eingesegnet hatte, war mir, besonders weil er das Wort Jüngling mit zwei deutlich vernehmbaren G ausgesprochen hatte, peinlich auf die Nerven gegangen.
    Hansi kam bald zu mir zurück. Wie sie in dem kleinen Koffer ein Kleid, ein Hütchen und ein Paar hochhackige Schuhe untergebracht hatte, war mir ein Rätsel. Auf jeden Fall sah sie entzückend aus, als sie in der Tür den weiten Rock um ihre schlanken Beine schwingen ließ und sich mir mit der Andeutung eines zeremoniellen Knickses vorstellte. Es war ein Kleid aus chinesischer Seide, auf schwarzem Untergrund blühten große Chrysanthemen in rostroten Tönungen, die mit der Farbe ihres Haares harmonierten.
    »Gefalle ich dir?«
    »Du bist bezaubernd schön.«
    Sie kam mir entgegen, größer und schlanker durch die hohen Absätze, und bot mir ihre Lippen.
    »Es ist ein neuer Stift, und er soll garantiert kußecht sein.«
    Wir probierten das neue Fabrikat aus.
    »Wozu geben diese Kerle eigentlich Garantien, wenn es doch nicht stimmt? « fragte sie nach einer Weile und betrachtete die Spuren, die sie auf meinem Gesicht zurückgelassen hatte.
    »Sie werden nicht mit deinem Temperament gerechnet haben«, sagte ich ein wenig atemlos.
    »Und trotzdem hast du noch nicht ein einziges Mal gesagt, daß du mich liebst. Du liebst mich doch, Paul?«
    »Ja, Hansi, ich liebe dich; ich liebe

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