Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad
verzweifelter Ehemann, ihn beauftragte hatte, herauszufinden, wo sich seine geliebte Frau viermal in der Woche herumtrieb, fiel Gustav nichts anderes ein, als dieser Dame tagelang zu folgen. Tatsächlich suchte sie an vier Tagen in der Woche ein bestimmtes Haus in der Berggasse im neunten Bezirk auf. Er fand schließlich heraus, in welche der Wohnungen sie dort ging und meistens nicht länger als eine Stunde blieb. Da er aus derselben Wohnung auch Kinder kommen sah, konnte er sich nicht vorstellen, dass sie sich in diesen Räumlichkeiten mit einem Liebhaber traf.
Als er seiner Tante davon erzählte, bekam sie einen ihrer hysterischen Lachkrämpfe. Kaum hatte sie sich beruhigt, klärte sie dieses Rätsel für ihn auf. Die teure Gattin seines ersten Klienten hatte keineswegs ein schmutziges Verhältnis gehabt, sondern wegen ihrer schlimmen Ängste den Seelenarzt Doktor Sigmund Freud aufgesucht.
Der Ehemann war dermaßen erleichtert gewesen, dass er nicht nur seiner Frau künftig die nicht gerade billige Behandlung bezahlte, sondern auch Gustav ein großzügiges Erfolgshonorar gab.
Sein zweiter Fall war leider weniger glücklich verlaufen. Die viel jüngere Gattin des Fiakerbesitzers Meister hatte ihren Mann tatsächlich nach Strich und Faden betrogen und war nicht abgeneigt gewesen, mit Gustav ein Verhältnis anzufangen, als sie bemerkt hatte, dass er sie verfolgte. Er hatte sich nicht auf diesen Handel eingelassen, sondern seinem hochnäsigen Nachbarn brav Bericht erstattet. Als er bei der Honorarübergabe erfuhr, dass die hübsche junge Frau Prügel bezogen hatte, bereute er es, nicht auf ihr Angebot eingegangen zu sein.
Zu Mittag ließ sich Gustav von Edi wieder im Fiaker des Herrn Franz Ferdinand Meister in den Prater bringen.
Alles, was er bisher über Leonie von Leidens Verschwinden in Erfahrung hatte bringen können, deutete auf den Wurstelprater hin. Er wollte sich noch einmal umhören. Vielleicht war dem einen oder anderen Budenbesitzer mittlerweile etwas zu Ohren gekommen.
„Zuerst ins Schwarzenberg?“, fragte Edi.
„Ja, wie gewöhnlich, und bitte auf dem schnellsten Weg!“
Edi ließ seine Peitsche knallen und rumpelte los. Gustavs Hintern hob sich und landete Sekunden später wieder unsanft auf dem Sitz. Edi schien kein Schlagloch auszulassen Die Kutsche schwankte bedenklich. Als er mit dem Kopf ans Fenster knallte, schrie er: „Idiot!“
Lautstark fluchend ließ Edi seine Peitsche auf die armen Pferde niedersausen. Gustav klammerte sich an die Sitzbank und war heilfroh, als die Kutsche lang-samer wurde und endlich stehen blieb.
Er öffnete den Schlag und stieg aus. Benommen blinzelte er ins Sonnenlicht.
Die Pferde schnaubten und scharrten unruhig mit den Hufen auf den Pflastersteinen. Edi sprang vom Bock, steckte den Pferden Würfelzucker in die Mäuler und fragte unschuldig grinsend: „War’s schnell genug?“
Gustav hätte ihm am liebsten eine geschmiert.
Grußlos und ohne sich über diese Höllenfahrt zu beschweren, kehrte er Edi den Rücken zu und wankte ins Café, setzte sich an seinen Tisch gegenüber der Theke und bestellte einen Großen Schwarzen.
Josefas Frühstückskaffee war kein echter Bohnenkaffee, sie gab Malzkaffee zu den frisch gemahlenen Bohnen. Dieser Kinderkaffee hatte ihn weder munter gemacht noch seine rasenden Kopfschmerzen vertrieben.
Der Schmerz, der in seinen Schläfen hämmerte, war während der Fahrt über das holprige Pflaster schlimmer geworden. Er konnte an nichts anderes mehr denken als an diesen pochenden Schmerz. In seinem momentanen Zustand fühlte er sich nicht imstande, die mit allen Wassern gewaschenen Praterstrizzis zu befragen oder sich gar Max Polanski vorzuknöpfen.
Der Ober brachte ihm mit dem Großen Schwarzen ein Kuvert.
„Eine Nachricht für Sie, Herr von Karoly“, sagte er mit einer knappen Verbeugung.
„Von wem?“
„Das weiß ich nicht, gnädiger Herr. Ein schmutziger Lauselümmel hat den Brief abgegeben. Ich habe ihn gar nicht reingelassen, so zerlumpt, wie der ausgeschaut hat.“
„Danke Herr Wilhelm.“
Kaum war der Oberkellner aus seinem Blickfeld, riss Gustav das schlichte weiße Kuvert auf. Die Nachricht auf der Rückseite eines abgerissenen Kalenderblatts war kurz: „Besuchen Sie die Hellseherin im Prater neben dem Flohzirkus, wenn Sie mehr über Leonie von Leiden erfahren möchten.“
Die Schrift war kaum leserlich. Von der Unterschrift konnte er nur den Anfangsbuchstaben S entziffern. Er kannte niemanden, dessen
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