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Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Titel: Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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wird es ihr gelingen, ihren Traum zu verwirklichen. Wenn sie nicht an der Wiener Universität Medizin studieren kann, wird sie halt nach Zürich oder Paris gehen. In Frankreich sind sie, was Frauenrechte betrifft, wesentlich weiter als wir hier in diesem erzkonservativen, katholischen Reich, das von einem sturen, bigotten Kaiser regiert wird, für den Reformen gleichzusetzen sind mit Revolution. Manchmal könnte man glauben, er wäre der Bürgermeister einer Kleinstadt wie Bad Ischl. Und Ihre Majestät, unsere schöne Kaiserin, hat nichts anderes im Kopf als ihr Aussehen und ihre Reisen. Vielleicht sollte sie mal diesen neumodischen Nervenarzt aufsuchen, der die Frau deines ersten Klienten kuriert hat?“
    „Du wolltest mir erzählen, was Dorothea berichtet hat“, würgte Gustav ihre Kritik an seiner geliebten Sisi ab.
    „Die Habsburger tragen viel Schuld daran, dass ihr Männer bei uns die ganze Macht in den Händen habt und die Österreicher alle so autoritätshörig sind. Ich kann diesen interessanten Artikel in der englischen Zeitung für mein Essay gut gebrauchen. An der Spitze der Machtpyramide steht der liebe Gott, gleich danach kommt Seine Majestät, der Kaiser, gefolgt von der Aristokratie. In der Mitte das Bürgertum. Und die Basis bilden die Arbeiter und die armen Bauern am Land. In der katholischen Kirche sieht es nicht anders aus. An der Spitze Gott, dann sein Stellvertreter auf Erden, der Papst, darunter die anderen kirchlichen Würdenträger und die Basis bilden wieder die einfachen Gläubigen. Bei den Beamten und beim Militär ist es dasselbe und auch in den Familien. Dort steht halt der Vater unangefochten an der Spitze.“
    „Das kommt mir bekannt vor. Lies nach bei Karl Marx und Friedrich Engels.“
    „Ja, ich weiß, für dich ist das nichts Neues. Aber kann ich das so schreiben?“
    „Schreib es ruhig. Du wirst schon sehen, ob sie es veröffentlichen.“
    „Danke für deine aufbauende Kritik.“
    „Entschuldige, ich bin nicht ganz bei der Sache. Ich muss die ganze Zeit an den erdrosselten Zwerg denken. Seine Zunge war riesengroß und ganz dunkelviolett …“
    „Nein, du musst mir verzeihen. Ich war taktlos. Wenn ich am Schreiben bin, vergesse ich auf alles andere, wie du weißt. Leg dich hin und ruh dich aus. Wir reden morgen weiter.“
    Gustav verbrachte eine unruhige Nacht. Als Hermann kurz nach Mitternacht heimkam und im Vorzimmer Krach machte, wachte er auf und konnte nicht mehr einschlafen. Bestimmt war dieser Idiot wieder auf einem feuchtfröhlichen Treffen der Deutschnationalen gewesen.

Samstag, 4. Juli 1897
    8
    Gustav war morgens meist schlecht gelaunt. Leute, die fröhlich und unbekümmert den neuen Tag begrüßten, hielt er für unsensible, optimistische Idioten.
    Seine Tante ignorierte sowohl seinen Grant als auch die Ringe unter seinen Augen und las ihm beim Frühstück aus den Samstagszeitungen vor.
    „Der Tod fährt mit“, titelte die Wiener Zeitung ironisch und widmete der Ermordung des kleinen Mannes bei der Eröffnung des Riesenrads eine halbe Seite. Der Journalist ließ sich über die kriminellen Praterstrizzis aus und ging ausführlich auf die Machtverhältnisse im Wurstelprater ein.
    Gustav hörte seiner Tante mit halbem Ohr zu. Erst als der Name Max Polanski erwähnt wurde, schreckte er auf und bat sie, die letzten Sätze noch einmal vorzulesen.
    „Kennst du den etwa?“
    „Nein, nicht wirklich.“
    „Scheint ein gefährlicher Mann zu sein.“
    „Das habe ich auch gehört.“ Er hatte keine Lust, heute Morgen den neuen Fall mit seiner Tante zu diskutieren, obwohl er zugeben musste, dass sie ihm bei seinen ersten beiden Fällen sehr geholfen hatte.
    Sie war keineswegs entsetzt gewesen, als er seinen Abschied von der Armee genommen und ihr mitgeteilt hatte, dass er eine Privatdetektei eröffnen wollte. Vera von Karoly war eine glühende Pazifistin, hatte die Armee immer gehasst und war von Anfang an Mitglied bei der „Österreichischen Gesellschaft der Friedensfreunde“, kannte sogar deren Präsidentin Bertha von Suttner persönlich.
    Sie behauptete auch, dass die Wissbegier und Neugier ein Familienerbe und Gustav deshalb genau richtig in diesem Gewerbe wäre. Gleich bei seinem ersten Auftrag war sie ihm zu Hilfe gekommen. Sie besaß ausgezeichnete Beziehungen zur Wiener Gesellschaft, nicht unbedingt zu den adeligen Zirkeln, aber im Wiener Großbürgertum, vor allem in jüdischen Kreisen, hatte sie so manch alte Freundin.
    Als sein erster Klient, ein

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