Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad
hinter den Reitstallungen. In den schmalen dunklen Straßen tummelten sich seltsame Gestalten. Die meisten Häuser waren ziemlich heruntergekommen. Der Anstrich war verblasst, rosa und helles Blau schimmerten durch den abbröckelnden Verputz und ließen den früheren Charme dieser Vorstadt erahnen.
Sie gingen durch eine düstere Gasse. Nach einer engen Kurve kamen sie zu einer Gastwirtschaft in einem niedrigen hübschen Barockhäuschen. Die Pferdetränke auf dem kleinen Platz davor schien ausgetrocknet zu sein. Die Blätter der großen Kastanienbäume rauschten im Abendwind. In ihrer Studentenzeit hatten Rudi und Gustav im Gasthaus „Zum sechsbeinigen Löwen“ so manchen Bierkrug geleert. Sie hatten diese Schenke zu ihrem Lieblingslokal erkoren, da angeblich Kaiser Josef II., der Sohn Maria Theresias, aus diesem Lokal mit einem Fußtritt hinausbefördert worden war, als er sich inkognito unters Volk gemischt hatte. Er hatte sich als gemeiner Bürger verkleidet und keck verhalten. Jedermann wusste, dass er nur wegen der Hübschlerinnen, die in den Fenstern der Häuser ihre sichtbaren Vorzüge zur Schau gestellt und auf Kundschaft gewartet hatten, dieses berüchtigte Viertel aufgesucht hatte. Seine gestrenge erzkatholische Mutter, Kaiserin Maria Theresia, hatte durch die Installation einer Keuschheitskommission die Prostitution zu unterbinden versucht. Aber ihr Söhnchen hatte eben auch gewisse Bedürfnisse gehabt. War vielleicht nach seinem Vater, dem lebenslustigen, dem weiblichen Geschlecht nicht abgeneigten Kaiser Franz I. geraten?
„Alles geht vor die Hunde.“ Rudi wirkte niedergeschlagen, als sie die im Dunkeln liegende Gaststätte links liegen ließen und eine andere üble Spelunke betraten.
Kaum hatten sie zwei Krügerl bestellt, scharrten sich die Bierhäuselmenscher um sie und verlangten, auf ein Glas eingeladen zu werden. Rudi schien in Spendierlaune zu sein und bestellte eine Runde für die leichten Mädchen.
„Lass uns erst einmal reden. Die Dirnen können warten, oder?“ Gustavs Interesse an billigem, willigen Fleisch hielt sich in Grenzen.
„Diese Spittelbergnymphen sind nicht die schlechtesten.“ Grinsend griff Rudi in das ausladende Dekolletee einer älteren Nutte, die sich an ihn geschmiegt hatte, holte eine ihrer Brüste heraus und hielt sie Gustav unter die Nase.
„Lass mich in Frieden!“ Gustav nahm einen großen Schluck von seinem lauwarmen Bier.
„Du willst also heut noch unbedingt über die Ermordung von dieser Kunstreiterin mit mir reden?“
„Du hast es erraten.“
Rudi stieß die alte Nutte, die sich bereits an seinem Hosentürl zu schaffen machte, weg und knöpfte seinen Schlitz wieder zu.
„Vielleicht solltest du mir zuerst erzählen, was du bisher über die Familie Schwabenau herausgefunden hast.“
Die Alte ließ nicht von Rudi ab, versuchte erneut, seine Hose zu öffnen. Währenddessen machte sich eine andere Nymphe an Gustav ran, schlang ihre Arme von hinten um seinen Hals und küsste seinen Nacken.
Gustav schüttelte sich vor Ekel.
„Haut ab“, fauchte Rudi die beiden Dirnen an. „Erzähl rasch, was du auf dem Herzen hast, und dann nichts wie rein ins Vergnügen!“, sagte er zu seinem Freund.
Gustav begann von Margarete und ihrer widerspenstigen Tochter zu erzählen.
Rudi unterbrach ihn bald: „Ich denke, du solltest diesen Fall besser aufgeben. Mord ist nicht dein Geschäft. Außerdem sieht es ganz so aus, als sei die Kleine von Leiden tatsächlich entführt worden. Und hinter so einem Kapitalverbrechen steckt sicher Max Polanski. Im Prater passiert jedenfalls nichts ohne Polanskis Wissen. Dieser Mann ist extrem gefährlich. Ein intelligenter Verbrecher ist der gefährlichste Verbrecher überhaupt. Und deine Margarete von Leiden ist auch nicht ganz astrein. Ich habe inzwischen Nachforschungen über sie angestellt. Sie hatte ein Verhältnis mit Freddy Mars, lässt sich wahrscheinlich bis heut von ihm pudern.“
Gustav missbilligte die Ausdrucksweise seines Freundes.
„Ja, gell, da schaust blöd aus der Wäsch’! Deine Schöne ist kein Unschuldslamm.“
„Ich weiß, es gibt Gerüchte, dass sie auch mit dem Max Polanski mehrmals zusammen gesehen worden ist. Obwohl, ich glaub nicht alles, was man sich im Wurstelprater erzählt.“
„Ich auch nicht.“
„Kannst du dir vorstellen, dass sie was mit dem Polanski gehabt hat oder nicht?“
„Was weiß ich? Da musst du sie schon selber fragen.“
„Und wer hat deiner Meinung nach Napoleon und diese
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