Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad
Kegel‘. Rudi“
Gustav trank auch den Grand Marnier ex und zahlte.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite schien ein Fiaker nur auf ihn gewartet zu haben.
„Ins Gasthaus ‚Zum silbernen Kegel‘ in Margareten.“
„Sie meinen die Wirtschaft ‚Zum schwarzen Elephanten‘?“
„Genau!“
Rudi stand mit seinem Vater an der Theke, als Gustav in das Lokal kam. Sie unterhielten sich mit einem Hanseltipper. Die völlig zerlumpte Gestalt mit dem zerschlissenen Rock und der alten Hose, die voller Weinflecken und Flecken noch ungustiöserer Natur war, stank wie die Pest.
Gustav bemühte sich, die aufkommende Übelkeit zu ignorieren, und begrüßte Kasper Vater und Sohn, hielt sich aber von dem Hanseltipper, der mit einer Schnur ein Reindl um den Leib gebunden hatte, fern. Die Fasseltipper, wie diese Säufer auch genannt wurden, zogen von einem Wirtshaus zum anderen und gossen sich aus leeren Bierfässern, stehen gelassenen Gläsern und Krügen den bitteren Rest in ihre Reindl und soffen dieses Zeug dann auch.
Als ihn Vater Kasper auf ein Wiener Schnitzel einlud, war Gustav nahe daran abzulehnen. Nach einem Blick auf das traurige Gesicht des alten Säufers setzte er sich doch mit Rudi an den Stammtisch.
Das Schnitzel schmeckte wie immer. Die Panier war goldbraun und knusprig, wie es sich gehörte, und der Erdäpfelsalat war sowieso der beste in ganz Wien.
Während des Essens hatten die beiden Freunde kaum ein Wort miteinander gesprochen. Vater Kasper, der um diese frühe Stunde bereits kräftig dem Rebensaft zusprach, den er in seinem eigenen Weingarten anbaute, redete dafür umso mehr.
„Der Rudi mag den neuen Namen für meine Wirtschaft nicht. Er will, dass ich mein Gasthaus ‚Silberwirt‘ nenne.“
Gustav wusste nicht, was er sagen sollte, kaute demonstrativ lange an seinem letzten Bissen und starrte auf die mit Orden behängte Brust des Kaisers auf dem Bild, das hinter der Theke hing.
„Die Leut sind heutzutage ganz narrisch nach Exotischem. Deshalb hab ich mir gedacht, dass Elephanten gut ankommen täten. Glaubst nicht auch?“
Gustav blieb, nachdem er den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte, nichts anderes übrig, als zu antworten.
„‚Silberwirt‘ klingt halt vornehmer“, sagte er diplomatisch.
„Bei mir verkehren ja keine feinen Leut, außer meinem Herrn Sohn und dir.“
Ein Blick auf Rudis Gesicht, das sich vor Zorn ge-rötet hatte, genügte Gustav. Er bemühte sich, einen Streit zwischen Vater und Sohn zu verhindern. Das Verhältnis zwischen den beiden ist mindestens so schwierig wie das zwischen Kaiser Franz Joseph und seinem Sohn Rudolf gewesen war, dachte Gustav und bestellte rasch ein Achterl Rot.
„Das ist aber ein ungarischer. Ich hab keinen österreichischen Roten. Bei uns trinkt man an Weißen. Und man mischt den Wein mit Wasser oder trinkt das Wasser mit dem Wein“, belehrte ihn der alte Mann.
„Ungarischer ist mir auch recht.“
Er mochte Rudis Vater, obwohl er ein Querulant war und es jeden, der ihn näher kannte, wunderte, dass er es schaffte, seine Gäste bei der Stange zu halten, denn er legte sich zu gern mit ihnen an.
Auf den lieblichen Erhebungen in Margareten wuchsen und gediehen zwar die weißen Trauben prächtig, aber der Weißwein im „Silbernen Kegel“ schmeckte trotzdem scheußlich. Dennoch hatte der alte Kasper es geschafft, sich hier als Weinbauer und Wirt zu behaupten, obwohl es in der Umgebung noch viele andere Weinschenken gab. Zur Beliebtheit seiner Gastwirtschaft trug vor allem die Kegelbahn, die er vor kurzem im Hof hinter seinem Haus errichtet hatte, bei. Gustav hatte von seinem Platz aus einen recht guten Blick auf die Bahn, auf der selbst jetzt um die Mittagszeit viel Betrieb war.
„Geht auf Kosten des Hauses“, sagte der alte Kasper, als Gustav bezahlen wollte. „Und jetzt tut ihr zwei Buben mir einen Gefallen. Zeigt’s diesen Anscheibern, wie man richtig kegelt. Die wandeln doch bei jeder Sau!“ Er deutete auf die jungen Stutzer, die auf seiner Kegelbahn eine Sau nach der anderen schoben, aber fast immer irregulär. Die Kugeln streiften vorher öfters die Seitenwände.
„Gustav und ich haben Berufliches miteinander zu besprechen. Würdest du uns bitte allein lassen, Vater?“
„Verzeihen Sie die Störung, Herr Sohn.“ Beleidigt verließ der rotwangige Wirt ihren Tisch.
Gustav tat der Alte leid.
„Musst du so garstig zu deinem Vater sein? Er meint es nicht böse.“
„Sei froh, dass du keinen Vater hast.“
Gustav
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