Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)
hatte nichts dagegen. Dazu hätte man ihn allerdings vorher durch einen Schlag mit einem schweren Gegenstand auf den Hinterkopf außer Gefecht setzen müssen.«
»Und? Hat man?«
»Man hat, in der Tat. Der Schädel weist an der Hinterseite eine Fraktur auf, und es ist schon fast ein Wunder, dass dieser Schlag Coen nicht getötet hat.«
Annemieke schaltete sich ein. »Und das ist ausgeschlossen?«
»Ja, denn sonst hätte ich die Entsorgungsbrühe nicht in seiner Lunge gefunden. Nach dem Schlag war er bewusstlos, aber alle Vitalfunktionen waren noch intakt. Auch wenn ein Mensch bewusstlos ist, atmet er weiter. Und wenn ein Mensch atmet, kann er auch ertrinken.«
»Sonst noch was?«, fragte Piet.
»Reicht das nicht? Ihm hat’s gereicht.« Arie ging zum Marmortisch, löste die Arretierung an zwei Rädern und schob den Tisch aus dem Raum.
»Danke, Arie!«
Eilig verließen sie Aries heilige Hallen. Piet hatte ohnehin kein Verlangen verspürt, den Aufenthalt weiter auszudehnen.
»Wir sollten öfter mal bei Arie vorbeischauen«, sagte er, als sie nach draußen traten.
»Was?« In Annemiekes Augen stand eine Mischung aus Unverständnis und Entsetzen.
Piet atmete übertrieben durch die Nase ein und grinste. »Ja, man lernt die frische Seeluft wieder schätzen.«
Sie gingen den Beenhowers Singel entlang zum politiebureau . An der Anlegestelle des Ausflugsbootes versammelten sich die ersten Touristen.
»Warum schlägt man jemanden nieder, damit er bewusstlos ist, um ihn dann so aufzuhängen, dass er ertrinkt, und dann noch in Abwasser? Das ist doch sinnlos!«, sagte Piet und schüttelte ratlos den Kopf.
Annemieke zuckte mit den Schultern. »Weil man einem Ritual folgt, weil man uns bewusst in die Irre führen will oder weil man Coen so sehr gehasst hat, dass er Scheiße fressen sollte.«
»Und was wäre aus diesem Plan geworden, wenn der feste Gegenstand einen Tick zu heftig auf der Schädeldecke aufgeprallt wäre? Arie hat gesagt, es war fast ein Wunder, dass ihn nicht schon der Schlag getötet hat.«
»Wir werden es wohl nur erfahren, wenn wir den Mörder fragen. Aber den müssen wir erst finden.« Annemieke seufzte.
»Wir wissen mit einiger Wahrscheinlichkeit, dass der Mörder ein Mann ist. Es war bestimmt mit einigem Kraftaufwand verbunden, den bewusstlosen Coen so aufzuhängen. Wir suchen einen ziemlich kräftigen Mann mit einer großen Portion Fingerspitzengefühl im Schlagarm.« Piet grinste. »Wir fahren einfach nach de Grevelinge und spielen gegen alle männlichen Camper Tennis. Dann haben wir ihn.«
9
Der grundlegende Unterschied zwischen einem Campingurlaub und einem Hotelaufenthalt liegt im Frühstücksraum. Im Hotel wird dieser von einer netten Dame mit Namensschild am dunkelgrauen Nadelstreifenkostüm bewacht. Diese fragt den Ankömmling zunächst nach seiner Zimmernummer, um den zahlenden Hotelgast vom schnöden Schnorrer zu trennen. Wenn sie einen dann eintreten lässt, fällt der erste Blick aufs Frühstücksbüffet, das Schlaraffenland, wo einem Nürnberger Rostbratwürstchen und Schalen voller Bircher Müsli in den Mund fliegen.
Ein solches Frühstücksbüffet gibt es im Wohnwagen nicht. Da macht man sich das Frühstück selber. Man springt kurz zum Bäcker, holt frische Brötchen und eine Zeitung, dann füllt man Kaffee in den Kaffeefilter, füllt Wasser in die Maschine, und während das Aroma von frischem Kaffee das Vorzelt erfüllt, deckt man gemütlich den Tisch. Schon kurze Zeit später genießt man mit der ganzen Familie ein herrliches Camperfrühstück.
Zum Bäcker springen, Brötchen holen, Zeitung kaufen, Kaffee aufsetzen, Tisch decken – das sind allerhand Aufgaben, und diese Aufgaben wollen vom Familienvorstand ordnungsgemäß delegiert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Aufgabenverteilung wie zufällig erscheint. Noch eleganter ist es, wenn die einzelnen Familienmitglieder die Arbeiten übernehmen, bevor diese an sie delegiert werden müssen. Das setzt allerdings eine gewisse Freiwilligkeit voraus, die im Fall pubertierender Familienmitglieder nicht vorausgesetzt werden kann. Eigentlich hat man nur eine Chance: Man baut auf das Phänomen »Hunger«.
Ich lag gegen halb neun in meinem Bett und lauschte in die Untiefen unseres Caravans hinein, um festzustellen, wessen unregelmäßige Atmung auf ein baldiges Erwachen hindeutete. Ich stellte fest: In unserem Caravan erwacht um halb neun außer mir niemand. Also drehte ich mich lieber noch
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