Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)
in der typischen Spechthaltung loshämmerte. Der zweite Grünspecht setzte sich auf einen Ast und schaute dem anderen gebannt zu, wahrscheinlich war es das Weibchen. Das ist auch bei Grünspechten so, gute Handwerker sind begehrt.
»Wie hat Babette eigentlich reagiert, als sie gehört hat, dass der Tote Coen ist?«, fragte ich beiläufig.
»Wie sie reagiert hat?«, fragte Adi irritiert. »Na, sie war traurig, das bin ich ja auch! Und sie hat sich an Pfingsten noch so gut mit ihm unterhalten.«
Wir gingen noch eine Weile nebeneinanderher. An Adis Stellplatz verabschiedeten wir uns. Er hat einen Eckplatz, der durch eine grüne Ligusterhecke und einen beige-weißen Windschutz von der Straße abgeschottet ist. Der Windschutz ist aus dem gleichen Stoff wie sein Vorzelt. Ja, Geschmack hat sie, die Babette.
Ich stellte mein Fahrrad in den Fahrradständer vor dem Wohnwagen. Mir fiel auf, dass bei Lothar anscheinend noch alle schliefen. In Wahrheit lagen natürlich alle in ihren Betten und warteten darauf, dass ein anderer Brötchen holen ging.
Noch bevor ich das Vorzelt öffnete, drang Kaffeeduft in meine Nase. Dieser, gepaart mit dem Odeur, der meiner Brötchentüte entströmte, wehte mir die trübsinnigen Gedanken von Mordlust und Motivsuche aus dem Hirn und hinterließ einfach ein bisschen blauen Himmel. Urlaub!
Die Kinder hatten den Tisch gedeckt, und Anne, die gähnend aus dem Wohnwagen kam, sah total süß aus. Natürlich gab es eine mittelschwere Schlägerei, wer die Schokostreusel als Erster streuseln durfte. Das war ein Streit, den ich beinahe genoss. Als harmoniebedürftiges Kerlchen kann ich Streit überhaupt nicht gebrauchen, aber ich bin auch nicht weltfremd. Wenn sie also unbedingt streiten müssen, dann am besten wegen der Schokostreusel, denn die mag ich nicht. Da konnte ich mich also heraushalten.
Eddas Handy klingelte. Ihre Freundin Kim hatte schon mitbekommen, dass wir angekommen waren, und sie hatte mit Sabrina besprochen, dass sie sich sofort und äußerst dringend mit Mel und Edda treffen musste. Weg war sie. Tristan stand auch auf, nahm sich ein Brötchen vom Tisch, griff sich eine Angel und verließ uns mit den Worten: »Der frühe Wurm fängt den Vogel.« Komiker!
Anne kaute auf ihrem mit Schokostreuseln bestreuselten Pappbrötchen herum und starrte dabei Löcher in das Plastikfenster unseres Vorzelts. Sie hielt sich offenbar in völlig anderen Sphären auf, denn sie zuckte regelrecht zusammen, als ich fragte: »Was war hier eigentlich Pfingsten los?«
»Pfingsten?«, fragte sie. »Was soll hier an Pfingsten los gewesen sein? Sonst wart ihr Männer mit den Kindern hier, diesmal waren die Strickweiber unterwegs.«
»Das war ja auch ’ne prima Idee! Aber …« Ich wurde von Edda unterbrochen, die mit drei Mädchen im Schlepptau ins Vorzelt trat.
»Mama, weißt du, wo mein Bikini ist? Wir wollen ins neue Schwimmbad.«
»Nein, so auf Anhieb weiß ich das nicht. Komm, wir gehen zum Auto und suchen ihn.«
Die Badebekleidung einer Zwölfjährigen ist kein Papa-Thema. Sie entzieht sich dem väterlichen Kompetenzbereich, das sah ich vollkommen ein. Ich war sogar ein wenig froh darüber, denn so ein Badeanzug ist etwas ganz Besonderes. Mädchen mit zwölf wollen schön sein, aber nicht zu sehr auffallen, bloß nicht sexy aussehen, aber auch nicht langweilig wirken. Ein Ding der Unmöglichkeit in meinen Augen. Genauso gut könnte man versuchen, einen Badeanzug zu kreieren, der bunt ist, aber auch schwarz, mit tiefem Dekolleté und Rollkragen.
Eine Minute später saß ich allein im Vorzelt und fragte mich immer noch, was Pfingsten los gewesen war. Sonst waren an diesem Wochenende immer die Männer mit den Kindern auf den Campingplatz gefahren. Sechs Männer, dreizehn Kinder. Dieses Jahr hatten wir es anders gemacht. Sechs Frauen und dreizehn Kinder waren auf den Campingplatz gefahren. Die Männer waren allein zu Hause geblieben.
An das letzte Jahr konnte ich mich noch gut erinnern, wir waren mit den Kindern segeln gewesen, hatten Fußball gespielt wie die Bekloppten, und abends … da hatten wir noch ein paar Gläschen Trappistenbier geleert, und dann noch ein paar Gläschen …
Wenn ich mich nun fragte, was danach passiert war, dann konnte ich das nicht mehr beantworten. Wenn ich Anne fragte, dann wollte sie das nicht beantworten. Das war der grundlegende Unterschied!
10
Piet stellte seine Gazelle neben der Kantine ab und ging hinein. Annemieke war zunächst mit dem
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