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Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)

Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)

Titel: Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stelter
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Musik!«
     
    Vom Vismarkt, an dem das St. John lag, waren es nur fünf Minuten Fußweg bis zur Vlissingsestraat, wo die Pathologie in einem unansehnlichen Gebäude untergebracht war, das so gar nicht zu den amerikanischen Serien passen wollte, in denen junge, bildhübsche Medizinerinnen anhand einer einzigen Gewebezelle des völlig verkohlten Leichnams bestimmten, welches Eau de Toilette das Opfer am Todestag benutzt hatte.
    Das Haus war alt, und nachdem Piet und Annemieke die Pförtnerloge passiert hatten, vermischte sich der Geruch des alten Gebäudes mit dem von Lysol, Carbol und von Kaninchen, die schon ein paar Tage tot waren.
    Arie Tromp war seit Menschengedenken der patholoog-anatoom , der Gerichtsmediziner in Middelburg. Er wurde immer dann hinzugezogen, wenn die Afdeling Bloed, Zweet en Tranen an der Arbeit war. Manchmal kürzte er diese auch ab als Zwacri für Zware Criminaliteit . Tromp war nicht nur ein Ass in der Schule gewesen, auch beim Medizinstudium in Amsterdam war er einer der Jahrgangsbesten. Ihm hatten damals auch andere Türen offen gestanden als die zu dem alten Haus in der Vlissingsestraat, aber er war mit Haut und Haaren der Haut und den Haaren von Toten verfallen. Diesen und all den anderen ehemals lebensnotwendigen Bestandteilen, die bei ihm auf dem Tisch landeten.
     

    Wenn Arie in Amsterdam oder Den Haag vor Gericht als Sachverständiger zu den kompliziertesten Fällen aussagte, dann wurde er von den Staatsanwälten oder Verteidigern manchmal unterschätzt. Meistens unterlief den Advokaten dieser Fehler aber nur einmal. Nein, man sah Arie nicht an, dass er eine Koryphäe war. Er sah weder wie ein Chefarzt aus noch wie ein vergeistigter Wissenschaftler. Er wirkte eher wie ein Bäckermeister, der morgens immer so früh aufstehen muss, dass er nachmittags zu müde ist, um seine Haut noch der Sonnenbestrahlung auszusetzen. Sein Teint wirkte ein bisschen mehlig, und seine Augen waren zu gut. Jemand von Tromps Kaliber hätte eine Brille tragen müssen, aber er brauchte keine. Genau wie er sich nach dem Studium geweigert hatte, durch eine gut gehende Praxis oder einen Chefarztposten ein reicher Mann zu werden, so hatte er es auch immer abgelehnt, seinen Lebensmittelpunkt in eine der pulsierenden Metropolen zu verlegen. Arie blieb seinem alten Seziertisch als forensischer onderzoeker in Middelburg treu. Und Piet war sich über eines völlig im Klaren: Das war ein verdammter Glücksfall für ihn und für das ganze politiebureau .
    Als sie eintraten, hatte Arie sein Tête-à-Tête mit dem Toten gerade beendet. Coens Leichnam lag noch auf dem Marmortisch. Kein anderer Gerichtsmediziner der Niederlande, wahrscheinlich nicht einmal in ganz Europa, arbeitete noch an einem alten Marmortisch. Man benutzte mittlerweile Edelstahltische. Arie hatte einigen Einsatz darauf verwenden müssen, den Tisch überhaupt behalten zu dürfen. Laut einem Gutachten, das in irgendeinem Aktenschrank bei der EU in Brüssel vor sich hinschimmelte, litt Arie unter einer rätselhaften Edelstahlallergie. Eines wusste Piet: Arie war nicht verheiratet, aber er hielt in Treue fest zu seinem Tisch.
    Der Gerichtsmediziner pellte sich die Gummihandschuhe von den Händen und bedeckte Coens leblosen Körper mit einer schwarzen Kunststofffolie. Es hatte den Anschein, als hätte Arie die ganze Nacht gearbeitet. Sein ohnehin schon mehliger Teint war noch eine Spur heller geworden. Hätte er sich für ein kleines Nickerchen neben Coen gelegt, ein Unbeteiligter hätte schwerlich sagen können, wer von beiden die Leiche war. Arie wusch sich die Hände, trocknete sie und sein Gesicht, dessen Durchblutung jedoch dieser Massage widerstand.
    »Ich weiß, es ist noch sehr früh«, ergriff Annemieke das Wort, »aber können Sie uns zu diesem Zeitpunkt schon etwas Genaueres sagen?«
    »Ich glaube, ich kann euch alles sagen, was es zu wissen gibt«, sagte Arie. »Der gute Herr Rimmel ist zwischen zwanzig Uhr dreißig und dreiundzwanzig Uhr dreißig verschieden. Genau genommen ist er ertrunken, allerdings nicht unbedingt in sauberem Wasser. Ich habe die Brühe aus der Entsorgungsstation in seiner Speiseröhre, in der Luftröhre, im Magen und in der Lunge gefunden.«
    Piet runzelte die Stirn. »Arie, wie kriegt man einen Brocken wie Coen in eine solche Position?«
    »Coen war zum Zeitpunkt seines Ablebens einen Meter sechsundachtzig groß und wog einundneunzig Kilo. Man hätte ihn also gar nicht in diese Situation bringen können, es sei denn, er

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