Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)
»Ich gehe jetzt schlafen.« Sie stand auf, löschte die drei Teelichter auf dem Vorzelttisch und ging in den Wohnwagen.
Ich betrat unser Luxusbadezimmer, putzte mir die Zähne zwei Minuten zu lange und folgte ihr. Es war schon ganz still im Wohnwagen. Tristan und Edda träumten gerade irgendetwas Schönes. Ich krabbelte in unser französisches Bett, das für mich ein Hauptargument gewesen war, diesen Wohnwagen zu kaufen. Ich schaltete das Leselicht an, nahm meinen Birbaek und begann zu lesen.
»So können wir jetzt nicht einschlafen.« Anne drehte sich zu mir. »Wir haben uns versprochen, dass wir uns vertrauen und dass wir keine Geheimnisse voreinander haben.« Anne legte ihren Kopf an meine Brust. »Ich habe jetzt kein Geheimnis mehr vor dir.«
Ich streichelte mit dem Daumen über ihre Wange und fühlte Tränen. »Und ich vertraue dir.« Ja, ich vertraute ihr. Wenn sie jetzt gesagt hätte, dass sie mit ihm geschlafen hätte, aber es wäre halt Pfingsten und sie ganz besonders gut drauf gewesen, dann hätte ich ihr das vielleicht verziehen … Nein, hätte ich nicht!
Aber sie hatte mir gerade gesagt, dass Pfingsten war und sie war ganz besonders gut drauf und dass sie nicht mit ihm geschlafen hatte. Ich empfand Dankbarkeit und Stolz. Beide Gefühle waren absolut unangebracht. Ich nahm sie in den Arm, und ich schämte mich wegen meiner Verdächtigungen. Ich war ein bisschen froh, dass sie nicht mit dem Daumen über meine Wangen strich. Sie hätte auch Tränen gespürt.
Mittwoch
33
Der Wetterbericht an der Rezeption ist für deutsche Touristen als Bilderbuch verfasst. Das Piktogramm unter Woensdag war eine dunkle Wolke mit drei kleinen diagonalen Strichen darunter, die andeuteten, dass an diesem Mittwoch durchaus mit Schauern zu rechnen war. Außerdem lugte eine kleine gelbe Sonne über die dunkelgraue Wolke. Übersetzen ließ sich dieses Bild wohl am besten mit: »Es wird sicher Wetter geben, Genaueres kann man im Moment noch nicht sagen.« Um das zu untermauern, war die Regenwahrscheinlichkeit mit fünfzig Prozent angegeben. Fifty-fifty-Wetter.
Unser Frühstück hatte daher im Vorzelt stattgefunden. Eddas zweite Brötchenhälfte hatte leicht gehetzt den Weg durch die Speiseröhre gefunden, weil zwei Sabrinas und eine Joyce, im Badeanzug und mit riesigen Badetüchern ausgerüstet, ihrer Idee für einen sinnvollen Zeitvertreib Ausdruck verliehen hatten. Tristan schloss sich den vieren an. Er war langsamer und zu cool, um sich wegen Mädchen sein Frühstück abkürzen zu lassen, aber immerhin.
Ich war wirklich überrascht. »Es tut sich was bei unserem Sohn.«
»Ja, sieht so aus«, stimmte Anne mir zu. »Letztes Jahr wäre er ganz sicher nicht mit den doofen Sabrinas schwimmen gegangen.«
»Hat er dir irgendwas erzählt? Hat er was angedeutet?«
»Nein, und frag ihn nicht, sonst wird er dir garantiert sagen, dass die Mädels genauso doof sind wie im letzten Jahr, aber dass man sich nach dem Frühstück schließlich bewegen soll.« Anne blätterte in einem Kochbuch.
Ich machte mir noch einen Kaffee. »Wir haben gestern endlich wieder miteinander geredet.«
Sie sah auf. »Ja.«
»Das müssen wir immer tun, wir müssen reden.«
»Manchmal gibt es gute Gründe, zu schweigen.«
Ich nickte. »Ja, es gibt Gründe. Man schweigt, weil man den anderen nicht verletzen will.«
»Man schweigt, weil man sich ungerecht behandelt fühlt.«
»Man schweigt, weil man den anderen leiden sehen will.«
Es wurde wieder sehr still am Frühstückstisch. Dann sagte ich: »Wir müssen immer miteinander reden. Manchmal glaube ich, dass ich dir deine Wünsche von den Augen ablesen kann. Aber das reicht nicht. Wir dürfen uns nie mehr anschweigen.«
»Nein, das dürfen wir nicht. Soll ich dir etwas ganz Wichtiges sagen?«
»Ja.« Ich nahm ihre Hand und drückte sie leicht.
Anne schaute mir ganz tief in die Augen und sagte mit einem Gurren in der Stimme: »Zwei Knoblauchzehen, zehn entsteinte Oliven, fünfhundert Gramm frischer Spinat, ein Bund Frühlingszwiebeln, Kapern, vierhundert Gramm Spaghetti, vier Esslöffel geriebener Parmesan und zwei Esslöffel Pinienkerne. Hast du dir das gemerkt?«
Ich verdrehte die Augen und sagte schmunzelnd: »Wie soll ich das denn machen!?«
Sie gab mir ihr Kochbuch über den Tisch. Es trug den bezeichnenden Titel Campingküche – Kochen auf kleinstem Raum , der Autor war ein gewisser G. Poggenpohl, und das Gericht
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