Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)
Schmierfink t’Huis halte, aber er wird morgen früh wieder alles darangesetzt haben, dass ganz Walcheren in Panik verfällt. Immerhin hat er recht behalten: Er hatte einen psychopathischen Serienkiller prognostiziert, und jetzt haben wir den zweiten Toten.«
Der Flur war frisch gestrichen worden. Die Maler hatten erst am letzten Montag ihr Zeug zusammengepackt, aber man hatte einen Farbton gewählt, der einen denken ließ, dass der Flur dringend mal wieder gestrichen werden müsste.
»Hören Sie«, erwiderte Piet unsanft, »ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob wir diesen Mord jemals aufklären werden. Wir haben es mit einem Campingplatz zu tun, auf dem fast zweitausend Menschen Urlaub machen. Am Samstag reist die Hälfte davon ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Akte Coen Rimmel irgendwo hier verstaubt, ist verdammt hoch - zu hoch!«
Meinert Waatering trug einen leichten Sommermantel über dem linken Unterarm. Seine Kleidung war genauso ordentlich arrangiert wie sein Schreibtisch. Ein beigefarbener Anzug zum hellblauen Hemd, keine Krawatte, der oberste Hemdknopf war offen, dennoch standen beide Kragenhälften exakt gleich hoch am Hals. Das Leder der Schnürschuhe hatte den gleichen Braunton wie sein Gürtel. Nur sein Haar wollte sich einfach nicht in die gewünschte Ordnung bringen lassen. Es war grau, fast weiß, und es sah immer so aus, als sei es vom Sturm zerzaust. Das Wetter war ja auch oft so, aber Meinert Waatering saß meistens am Schreibtisch.
»Ich weiß sehr genau, dass das für Sie eine Belastung ist«, gab Waatering zu, während sie über den Flur gingen. »Aber egal, wie viele Leute am Samstag abreisen. Ich weiß, dass Sie das hinkriegen.«
»Im Interesse der Menschlichkeit will ich tun, was in meiner Macht steht«, erklärte Piet. »Aber ich bin nicht zuversichtlich, was das Ergebnis betrifft.«
HoofdInspecteur Waatering sah seinen Inspecteur verstört an. Eben noch wirkte er mutlos wie selten in den letzten sechs Jahren, und jetzt redete er auch noch irgendein gedrechseltes Zeug. Waatering räusperte sich. Vielleicht glaubte er, Piet müsste nur geweckt werden. »Van Houvenkamp, dieser Fall ist auch Ihre Chance!«
»Meine Chance?«, winkte Piet ab. »Das ist doch Gefasel. Wem soll ich denn irgendwas beweisen? Diesem Maarten t’Huis? Um Gottes willen.« Piet blieb stehen, um Waatering zu zwingen, ihm in die Augen zu sehen, aber der ging weiter und sagte nur: »Nein, dem nicht.«
32
Ich hatte den zweiten Roman angefangen. Sechs Romane hatte ich mir vorgenommen. Den ersten hatte ich weggelegt. Nach sechzig Seiten muss ich drin sein, sonst lese ich ihn nicht zu Ende. Sechzig Seiten, das ist ein innerdeutscher Flug, inklusive Wartezeit in der Cafeteria am Flughafen Köln-Bonn, Terminal 1 , Gate B. Wenn mich das Buch am Zielflughafen immer noch nicht fesselt, dann lege ich es weg. Ich verschenke es nicht, ich verkaufe es nicht bei eBay, ich lege es weg. Ich habe mal einen wunderbaren Menschen kennengelernt, der eine fürchterliche Angewohnheit hatte. Er las nur Taschenbücher, und die Seiten, die er gelesen hatte, riss er heraus. Mich schauderte jedes Mal, wenn ich das sah. Bücher zerreißen, das ist zwar nicht wie Bücher verbrennen, aber man tut es trotzdem nicht. Ich werde irgendwann anbauen müssen, weil ich keine Bücher weggebe. Gut, dann baue ich halt an.
Jetzt hatte ich den zweiten Roman aus der Tasche geholt: Michel Birbaek, Wenn das Leben ein Strand ist, sind Frauen das Mehr . Ich hatte geglaubt, dass das ein guter Titel für ein Urlaubsbuch ist. Holland, Urlaub, seit sechzehn Jahren verheiratet und immer noch verliebt. Nicht immer, aber immer mal wieder, und das immer noch! Ich fragte mich, was das bedeutet: Liebe? Ich fragte mich, was das bedeutet: verheiratet sein?
Man trennt sich leichter, und wenn es Probleme gibt, zieht man leichter einen Schlussstrich, wenn man »nur« eine Beziehung hat. Wir sind verheiratet. Mit dem Ring am Finger denkt man länger nach.
Ich dachte nach, aber ich sagte nichts. Ich fürchtete mich vor Wahrheiten. Ich saß mit meinem Roman im Vorzelt und las. Anne las auch, und sie strickte. Das werde ich nie begreifen. Sie strickte und schaute dabei in ihr Buch. Man nennt das jetzt multitaskingfähig . Ich kann mit Mühe gleichzeitig die Treppe runtergehen und Kaugummi kauen. Sie kann gleichzeitig über Pfingsten in Urlaub fahren und …
»Mist, jetzt habe ich mich verzählt!« Sie begann, wieder Maschen zu zählen und danach
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