Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)
sagte Wield. Wenn, dachte er sich, der Kerl auf klare Worte stand, dann konnte er sie haben!
»In der Tat, obwohl ich mich mit diesen Dingen nicht lange aufhalten möchte. Das Schicksal mag mich dazu auserkoren haben, das Leben eines Gnomen zu führen, aber ich versuche es wie ein Gnomon aufzuzeichnen, der nur die sonnigen Stunden anzeigt.«
Er hielt inne, als erwartete er Applaus, wobei nicht klar war, ob für seine mentale Stärke oder verbale Gewandtheit. Wields Antlitz blieb so unlesbar wie die Autobiographie eines Fußballers. Roote lächelte. »Das erklärt Yorkshire. Aber warum Sandytown, fragen Sie sich womöglich. Während meiner Wanderungen durch Europa auf der vergeblichen Suche nach gesundheitlicher Wiederherstellung – ich besuchte sogar Lourdes, Gott möge mir helfen, was er aber nicht getan hat – erfuhr ich wirksamste Linderung an einer meiner ersten Anlaufstellen, der Avalon-Klinik in Davos. Dorthin kehrte ich letztes Jahr zurück, als ich mir meine Niederlage endlich eingestand. Nicht zur Behandlung – ich wusste, das wäre zwecklos –, sondern weil ich an einem Ort sein wollte, wo man mir Verständnis ohne Mitleid entgegenbrachte. Anerkannt zu werden ist der erste Schritt zur Anerkennung, würden Sie dem nicht auch beipflichten, Mr. Wield?«
»Möglich«, sagte Wield und sah verstohlen auf seine Uhr.
»Um es kurz zu machen«, fuhr Roote fort. »Enttäuscht musste ich feststellen, dass Herr Professor Doktor Alvin King, der Leiter der Klinik, zu dem ich ein gutes Verhältnis aufgebaut hatte, für ein halbes Jahr fort war. Aber bald bemerkte ich, dass der Kollege, mit dem er die Stelle getauscht hatte, Lester Feldenhammer, sogar noch mehr auf meiner Wellenlänge lag. Die Gespräche mit ihm, dazu natürlich mein neuerliches Engagement beim Third Thought, machten mir klar, dass das Leben in seiner ganzen Fülle ausgeschöpft und nicht verschwendet werden sollte, indem man einem nebulösen Traum hinterherjagt. Als ich herausfand, dass Lesters angestammte Klinik das Avalon hier in Yorkshire ist, nahm ich das als Zeichen. Daher ließ ich mich letzten Januar hier nieder, und das war die beste Entscheidung, die ich jemals getroffen habe.«
Sollte nicht schwierig sein zu eruieren, wohin ihn seine anderen Entscheidungen geführt haben, dachte sich Wield.
»Wie hat Dr. Feldenhammer das aufgenommen?«, fragte er.
»Er war erfreut. Vom Patienten wurde ich zu einer Art Kollege, unbezahlt, natürlich. Lester ist ungeheuer offen und empfänglich. Die meisten Schulmediziner hätten Tom Parkers Enthusiasmus für alternative Heilmethoden im besten Fall als Schrulle angesehen, im schlimmsten als schlicht gefährlich. Lester jedoch hat seine Energie und die Mittel des Avalon ganz in den Dienst von Toms Festival der Gesundheit gestellt.«
Erneut sah Wield auf seine Uhr, diesmal ganz offen. »Sehr interessant. Aber ich sollte jetzt los. Nochmals vielen Dank.«
»War mir eine Freude. Richten Sie Peter meine besten Grüße aus, und sagen Sie ihm, ich würde ihn nur allzu gern sehen. Aber es liegt an ihm, sich zu melden. Sollte ihm diese Idee nicht zusagen, habe ich dafür größtes Verständnis. Das muss für ihn ein sehr wichtiger Fall sein, nehme ich an.«
»Ach? Wie kommen Sie darauf?«
»Na, nachdem Mr. Dalziel außer Gefecht ist … muss ich noch deutlicher werden? Ich hoffe sehr, dass sich Peter wacker schlägt.«
»Ich werde es ihm ausrichten. Auf Wiedersehen.«
Nachdem er sich verabschiedet hatte, ließ sich Wield die Begegnung mit Franny Roote noch einmal durch den Kopf gehen. Im besten Fall, schätzte er, hatte er ein Unentschieden erzielt, insgeheim beschlich ihn aber das Gefühl, als hätte der Mann im Rollstuhl knapp gewonnen. Es war ihm nur wenig Trost, dass er sich an eine Bemerkung Dalziels erinnerte:
Wenn du jemals meinst, du hättest den Scheißer in der Tasche, dann bist du wirklich verratzt.
Sein Handy klingelte, als er sich dem Ende der Zufahrt näherte. Er hielt an und nahm das Gerät ans Ohr. »Wield … was? Einen Moment … der Empfang ist lausig.«
Er fuhr das Motorrad zwischen den dichtstehenden Bäumen auf die Straße.
»Besser jetzt? Okay, Hat. Was hast du gesagt?«
Er lauschte, dann sagte er: »Hast du Mr. Pascoe informiert? Mach das! Ich bin schon unterwegs.«
Er verbannte Franny Roote aus seinen Gedanken und röhrte auf der Thunderbird zurück nach Sandytown.
10
P eter Pascoe befand sich in einem Dilemma, als er sich der Avalon-Klinik näherte.
Wen sollte er
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