Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)
gestritten hat, weil er seine Schwester schützen wollte, dann wird er doch kaum jemanden in deren Behandlungszimmer umbringen, oder?«
Dalziel nickte zustimmend mit seinem wuchtigen grauen Schädel.
»So«, sagte er. »Wusste ich’s doch, dass ich mich in Ihnen nicht irre, Charley. Hübscher logischer Gedankengang, der untermauert, was wir uns auch ohne logische Gedankengänge denken – dass Mr. Godley kein Mörder ist. Wer ist also der Nächste?«
»Sie sind der Polizist«, sagte sie. »Außerdem habe ich langsam die Schnauze voll von diesem einseitigen Gespräch. Sie haben meine Mails und die Aufzeichnung eines vertraulichen Gesprächs. Ich würde sagen, langsam ist es an der Zeit, dass Sie ebenfalls damit rausrücken, was Sie wissen. Oder ist dieses
Heiliger Strohsack, Sie und ich, wir könnten doch ein wunderbares Team abgeben-
Getue auch nur eine Masche wie bei Novello oder Pascoe?«
»Ist berechtigt«, sagte er, ohne zu zögern. »Erst Sie, dann ich, darum geht es. Und ich verspreche, nichts, was Sie mir erzählen, wird ohne Ihre Einwilligung weitergegeben.«
»Gut«, sagte sie. »Also, Andy, Sie sind an der Reihe.«
»Okay. Gehen wir die Verdächtigen durch. Sie, nehme ich an, sollten wir als Erstes ausschließen.«
»Mich?«
»Aye. Pete Pascoe meint, Ihre lausige Rechtschreibung macht Sie zu einer Tatverdächtigen.«
Er erklärte ihr die Sache mit den anonymen Briefen und dem Rechtschreibfehler.
»Ich hatte schon immer Probleme mit dem
dass
mit Doppel-s, aber in einer Mail kümmert man sich darum doch nicht, oder?«
»Erzählen Sie das nicht Pete Pascoe«, sagte Dalziel. »Sollte er bei seinem Selbstmord einen Abschiedsbrief hinterlassen, weiß ich, dass der gefälscht wurde, wenn auch nur ein einziger Kommafehler drin ist. Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen. Falls Sie sich jemals dazu entschließen sollten, anonyme Briefe zu verfassen, wären alle Fehler darin bewusst gesetzte falsche Fährten – so schätze ich Sie ein.«
Er schien es als Kompliment gemeint zu haben.
»Sie wollen damit sagen, ich würde eine gute Verbrecherin abgeben?«, fragte Charley.
»Das muss man sein, wenn man ein guter Polizist sein will«, sagte er. »Schauen Sie mich an. Ein Gen mehr oder weniger, und ich hätte zum Napoleon des Verbrechens werden können!«
Er steckte die Hand ins Hemd und sah mit so schwermütiger Miene aufs Meer hinaus, dass sie lachen musste.
»Wenn das Napoleon sein soll, dann will ich nicht wissen, wie Ihr Jimmy Cagney aussieht!«
»Jimmy Cagney? Ist der nicht ein bisschen zu alt für Sie? Nein, einen Moment, das sind die Filme, die sich Ihre Mam so gern ansieht, nicht wahr? Tut mir leid, wollte nicht in Ihr Privatleben eindringen, aber in Ihren Mails ist das ja alles so verknäuelt. Gut, Sie bekommen noch einen, umsonst, nur um meinen guten Willen zu zeigen. Katzenjammer und Pet!«
»Wer?«
»Dr. Lester Feldenhammer und Schwester Petula Sheldon. Sie haben sie bei der Einladung in der Klinik getroffen. Und beim Grillfest gesehen.«
»Richtig. Was ist mit denen?«
»Kommen Sie schon, Mädel. In Ihren Mails erwähnen Sie Mary Parker, die Ihnen erzählt hat, dass Daph es auf Lester abgesehen hatte. Und dass seine Zuneigung schon anderweitig vergeben ist.«
»Dieses anderweitig ist Schwester Sheldon? Was wollen Sie damit sagen? Ein Mord aus Leidenschaft? Sind sie dafür nicht schon ein wenig zu alt?«
»Mein Gott, was haben Sie bloß gegen das Alter? Pet und Lester sind jünger als ich, und wenn ich mich anstrenge, kann ich immer noch ziemlich in Leidenschaft geraten. Sie hatten beim Fest eine verflucht hitzige Auseinandersetzung, die damit endete, dass Pet Daph ihren Wein übers Kleid kippte.«
»Das ist kaum tödlich, oder?«
»Nein, aber ein Schritt in die falsche Richtung.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein. Eine Frau kippt einer anderen ihren Wein drüber, wenn sie wütend auf sie ist. Ein Mord erfordert leidenschaftliche Eifersucht, und ich sehe nicht, dass Sheldon auf jemanden, der dreißig Jahre älter ist als sie, eifersüchtig sein kann. Außerdem steckt man nicht aus irgendeinem Impuls heraus eine Leiche in den Grill, da war Absicht dahinter, oder?«
Er nickte zufrieden. Er hatte recht. Sie war flink. Pete würde ihn wahrscheinlich umbringen, dass er mit vertraulichen Informationen zum Fall herausrückte, aber er hatte das Gefühl, die junge Heywood würde wie die heilige Inquisition jede Tatsachenverdrehung wittern.
»Vielleicht gab es ja einen Vorsatz«,
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