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Der Tod im Eis

Der Tod im Eis

Titel: Der Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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und den Stämmen von Sitkafichten und Hemlocktannen eine Hütte bauen. Was er auch schon bewiesen hatte, wenn auch nur sich selbst, denn die kleine Behausung inmitten des Waldes hütete Benji wie ein Geheimnis. Niemand wußte von ihrer Existenz, aber selbst die Alten hätten gestaunt, was er da vollbracht hatte.
    Vor einer Weile hatte der Junge die Hütte aufgesucht und sich dort für die »Jagd« bewaffnet: mit Pfeil und Bogen sowie einer kleinen Steinaxt, mit der er im Wurf auf zwanzig Meter Entfernung einen beindicken Baumstamm treffen konnte.
    Solchermaßen ausgerüstet strich Benji Hosteen nun durch den Wald, aus dem jetzt zur Winterszeit auch tagsüber die Dunkelheit nicht recht weichen wollte. Doch Benji hatte gelernt, sich nicht allein auf seine Augen zu verlassen. Er nutzte all seine Sinne, während er durch das Dämmerlicht schlich, und er hätte seinen Weg auch bei völliger Dunkelheit gefunden.
    Genau daran mochte es wohl liegen, daß er von einer Sekunde zur anderen spürte, daß er nicht mehr allein war. Doch als er innehielt und mit Blicken um sich tastete, sah er niemanden.
    Natürlich war er auch zuvor nicht wirklich allein gewesen. Der Wald war voller Leben und schattenhafter Bewegung, aber dies alles war Teil des Waldes, dem sich auch Benji zugehörig fühlte.
    Die Veränderung jedoch, die er nun wahrnahm, war ungewohnt. Sie gehörte nicht hierher. Sie harmonierte nicht mit der Seele des Waldes, und Benji spürte dieses Andere wie einen lautlosen Mißton in einer Melodie, die nur sein Ohr auffangen konnte.
    Etwas erwachte in dem Jungen, etwas wie ein Instinkt, der in den meisten seiner Altersgenossen verkümmert war. Er verwandelte ihn fast, machte ihn zu einem jener Menschen, die vor langer Zeit in friedlicher Symbiose mit Flora und Fauna dieses Landes gelebt hatten.
    Lautlos, ohne sich dafür sonderlich anstrengen zu müssen, schlich er in einem Zickzackkurs dahin. So spürte Benji, wenn jenes Andere schwächer wurde, und konnte sofort die Laufrichtung ändern, bis er es wieder deutlicher wahrnahm. Er folgte einer fremden Witterung, getrieben von dem, was die Jäger einst ausgezeichnet hatte - und zu einem Gutteil auch von kindlicher Neugierde.
    Letzteres war es, was den Leichtsinn nährte. Ein wirklich erfahrener Jäger hätte sich nie und nimmer so leichtfertig etwas Unbekanntem genähert. Er wäre sich der potentiellen Gefahr bewußt gewesen, die in allem Fremden lauern konnte. Doch in dieser Hinsicht war Benji entscheidend benachteiligt, denn wahre Gefahr hatte er in seinem jungen Leben nicht kennengelernt.
    Noch nicht ...
    Wieder und wieder verhielt der kleine Inuit, sah sich nach allen Seiten um, griff mit Blicken in die Schatten zwischen den Bäumen und dem Gesträuch.
    Bis er auf einen stieß, den er nicht zu durchdringen vermochte!
    Einen Moment lang fürchtete Benji, tatsächlich auf einen Bären gestoßen zu sein, der sich auf die Hinterbeine erhoben hatte, um gleich zum Angriff überzugehen.
    Groß und mächtig war dieser Schatten, der im entfernten Dunkel stand. Doch er rührte sich nicht, und er gab auch keinen Laut von sich.
    Daß Benji trotzdem mit der Axt ausholte und sie warf, entsprang eher einem Reflex als seinem eigenen Willen.
    Ein dumpfer, unangenehm feuchter Laut bewies ihm, daß er getroffen hatte, was immer auch dort stand.
    Doch der Schatten schien Schmerzen nicht zu kennen, denn er ließ mit keiner Regung erkennen, daß er verletzt worden war.
    Benji biß die Zähne zusammen. Rasch nahm er den Bogen von der Schulter, zog fast in der gleichen Bewegung einen Pfeil aus dem ledernen Köcher und legte ihn auf die Sehne. Die Spitze des Pfeils wies auf den Schatten, als der Junge, noch immer vorsichtig und leise, weiterging.
    Das Gefühl des Fremdartigen wuchs in Benji zu etwas Frostigem, das jedes Organ wie mit Rauhreif umhüllte. Dennoch schaffte er es nicht, einfach stehenzubleiben. Fast war es, als zöge ihn das an, was dort im wattigen Dämmerlicht stand - und das sich nun doch endlich bewegte.
    Wenn es auch nur einen einzigen Schritt tat.
    Doch dieser Schritt brachte es heraus aus dem undurchschaubaren Schattengespinst.
    Benji sah es jetzt - und schrie auf!
    Es war kein Bär, auch sonst kein Tier. Obwohl es im allerersten Augenblick auch nicht wie ein Mensch aussah.
    Dann, als müßte sein Blick sich erst eine halbe Sekunde lang klä-ren, erkannte der Junge, was ihm da entgegengetreten war.
    Ein Mann.
    Oder etwa nicht?
    Die Gestalt war nackt, und doch konnte Benji kein

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