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Der Tod im Eis

Der Tod im Eis

Titel: Der Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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Geschlecht ausmachen.
    Doch im Moment war diese Feststellung allenfalls am Rande irritierend für den Jungen - denn das Gesicht des anderen schlug ihn förmlich in seinen Bann. Mehr noch - es entsetzte ihn!
    Es war kein Gesicht, sondern eine Fratze mit wulstiger Stirn und einem wie eine Wunde klaffenden Mund, in dem spitze Zähne blitzten. Strähniges Haar umgab das Gesicht wie schwarzes Gewürm. Und die Augen glühten wie im Widerschein eines niederbrennenden Feuers.
    In der Brust des Unheimlichen steckte die Steinaxt, doch es trat kaum Blut aus der Wunde. Und während Benji noch entsetzt starrte, packte das Wesen den Stiel der Axt, zog sie mit einem Ruck aus seinem Fleisch und ließ sie in den Schnee fallen.
    Die Wunde schloß sich, so schnell, daß Benji dabei zuschauen konnte. Nicht einmal eine schorfige Narbe blieb zurück.
    Eine ganze Weile standen Kind und Monstrum einander gegenüber, maßen sich mit Blicken; angsterfüllt die des einen, bannend die des anderen.
    Doch mit jeder Sekunde verlor sich die Furcht aus Benjis Blick, als würde sie durch ein Ventil abfließen - oder verdrängt von einer fremden Kraft. Und schließlich ließ der Junge Pfeil und Bogen achtlos fallen und trat auf den anderen zu. Es gab keinen Grund, dieses Wesen zu fürchten. Im Gegenteil ...
    Auf einer tieferen Ebene seines Denkens, über die er noch verfügen durfte, wunderte der Junge sich, weshalb er nicht gleich darauf gekommen war, daß ihm mit dieser Begegnung etwas ganz Großes widerfuhr.
    Denn er kannte diese Gestalt aus den Geschichten der Alten.
    Dieses Wesen war ohne jeden Zweifel - Tattu. Der zweigeschlechtliche Weltenschöpfer vom Anfang der Zeit. Sie würden Augen machen im Dorf, wenn er Tattu mitbrachte! Benji sah ehrfürchtig auf zu der großen Gestalt. Dann nahm er die totenkalte Hand des anderen und führte ihn nach Nuiqtak.
    *
    Die Tür schwang auf, kaum daß Landru sie berührt hatte. Es kam ihm vor wie eine Einladung. Doch er trat nicht sofort ein. Auf der Schwelle blieb er stehen und sah den Flur entlang, der sich dahinter anschloß. Kahl und dunkel erstreckte er sich tief ins Innere des Hauptgebäudes. Türen unterschiedlicher Größe zweigten zu beiden Seiten ab, und am jenseitigen Ende des Baus gabelte sich der Korridor, um in die Nebengebäude weiterzuführen.
    Nichts rührte sich. Wahrhaftige Totenstille herrschte.
    Eine Stille, deren Wirkung sich selbst Landru nicht entziehen konnte.
    Sie ließ ihn zögern, weil sie jenseits des Eingangs wie eine massive Mauer stand, die ihn daran hinderte, einzutreten.
    Landru wußte nicht, was er vorzufinden erwartet hatte.
    Weil er nicht einmal wirklich darüber nachgedacht hatte.
    Es gab zuviel Unbekanntes in dieser Angelegenheit, so daß es sich nicht lohnte, vorauszuplanen oder sich über Eventualitäten den Kopf zu zerbrechen.
    Er wußte im Grunde nichts über die neue Rasse, mit deren Zucht Herak in Sydney begonnen hatte. Oder zumindest nichts über ihren tatsächlichen Werdegang. Die Information, daß es schon in Australien zu Schwierigkeiten gekommen war, war zu vage gewesen, um wirklich Aufschluß über die Entwicklung des Homunkulus zu geben.
    Was Landru schließlich in jenem Labor in New York vorgefunden hatte, konnte schon eher Anlaß zur Sorge geben. Denn hier war mit Sicherheit etwas nicht so abgelaufen, wie es hatte ablaufen sollen. Doch Landru wußte nichts über die Hintergründe, und so versuchte er sich auch davon nicht verunsichern zu lassen.
    Es gab nur eines, was er tun konnte: Er mußte handeln und reagieren, wenn es erforderlich war. Und dazu mußte er zunächst einmal diese Station betreten.
    Langsam und wie gegen einen unsichtbaren Widerstand ankämpfend ging Landru vor.
    Was Aurelius mit den Mitteln des FBI herausgefunden hatte, mußte nicht zwangsläufig bedeuten, daß der Weg des Retorten-Vampirs tatsächlich hierher geführt hatte. Aber die Wahrscheinlichkeit war sehr groß. Denn Alaska war bislang etwas wie eine »vampirfreie Zone« gewesen. Landru hatte dieses Land in seiner Eigenschaft als Kelchhüter nie bereist, um vampirischen Nachwuchs zu schaffen. Dazu war diese Ecke der Welt seinerzeit zu unbedeutend gewesen.
    Zwar war es denkbar, daß sich zwischenzeitlich Angehörige der Alten Rasse aus freien Stücken hier niedergelassen hatten, aber Landru schloß diese Möglichkeit nahezu aus. Er hätte mit großer Sicherheit davon erfahren, wenn es so gewesen wäre. Denn auf seiner fast dreihundert Jahre währenden Suche nach dem Lilienkelch

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