Der Tod im Eis
Ruck die Maschine in ihre Einzelteile zerlegen würde. Als er ein gänsehauterzeugendes Knirschen vernahm und die Cessna spürbar »vom Kurs« abkam, war er überzeugt, daß es soweit war.
Doch statt eine Warnung auszustoßen - die eh viel zu spät gekommen wäre -, beugte Maggie Conolly sich vor und schaltete die Motoren aus, wandte sich dann ihrem Passagier zu und strahlte ihn an. »Ich hoffe, Sie hatten einen guten Flug, und ich würde mich freuen, Sie wieder an Bord von Conolly-Airlines begrüßen zu dürfen.«
»Was bleibt mir anderes übrig?« knurrte Landru.
Die glitzernden Schnee- und Eiskristalle senkten sich allmählich, und Landru erkannte, kaum einen Steinwurf entfernt, die Gebäude der Forschungsstation. Wie verlassen lag sie da, nichts rührte sich da drüben.
Der Vampir hoffte, daß der Schein trog. Zum einen wollte er diesen Flug nicht umsonst gemacht haben. Zum anderen stand zu befürchten, daß wiederum Wochen verstreichen würden, ehe er eine neue Spur des Retortenvampirs fand - und damit zumindest den Ansatz einer Chance, das Fortbestehen ihrer Rasse zu sichern ...
»Verraten Sie mir jetzt endlich, was das FBI hier zu suchen hat?« fragte die Pilotin. Sie sah hinüber zu den Flachbauten, als fürchtete sie, dort drüben würden versteckte Schützen gleich das Feuer auf die Cessna eröffnen.
»Nein.«
»Nein?« echote Conolly enttäuscht.
Landru hatte nicht vergessen, was er sich vor ein paar Minuten geschworen hatte, für den Fall, daß sie den Erdboden heil erreichen sollten. Ein dunkles Lächeln auf den Lippen beugte er sich zu der Pilotin hinüber, und ehe sie etwas tun oder auch nur sagen konnte, hielt seine Hand ihr Kinn umfaßt und zwang sie, seinen Blick zu erwidern.
Er knebelte ihren Geist gerade soweit, daß sie unterbewußt noch mitbekam, was geschah. Und er weidete sich förmlich an dem ängstlichen Flackern, das er hinter ihren blauen Augen fand.
»Was ...?« brachte sie mühsam und kaum noch verständlich hervor, ehe Landrus Zunge ihre Lippen verschloß.
Sein Gesicht näherte sich ihrem Hals, und er lauschte dem Tosen ihres Blutes, das die Furcht regelrecht durch ihre Adern peitschte. Blut, das von Angst aufgewühlt wurde, war ein beinahe adäquater Ersatz für jenen Genuß, der nur im Moment höchster Erregung möglich war. Und Landru war versucht, davon zu kosten.
Doch er versagte es sich. Den Trunk aus diesem Körper würde er sich aufheben. Für später, wenn er Maggie Conolly nicht mehr brauchte.
Zuvor würde er ihr Blut so aufbereiten, daß sie glaubte, es müßte ihre Adern verbrennen.
Und all das ließ er die junge Pilotin wissen, ehe er aus dem Flugzeug stieg und sie allein zurückließ.
Allein mit ihrer Todesangst, deren Kälte die der eisigen Luft draußen um Längen schlug.
*
Das dumpfe Donnern, mit dem Schnee von den Zweigen rutschte, und das geisterhafte Knacken, mit dem eisbeladene Äste brachen, erfüllten den dämmrigen Wald.
Es waren neben seinem keuchenden Atem die einzigen Geräusche, die Benji Hosteen wahrnahm.
Der kleine Inuit-Junge war auf Bärenjagd. In seiner kindlichen Vorstellung zumindest.
Dennoch ging er mit dem Geschick eines erfahrenen Jägers vor.
Er hatte oft genug in der Runde der Alten gesessen, vor allem in den Winternächten, die kein Ende zu nehmen schienen. Dann erzählten sie von Zeiten, die lange zurücklagen und die sie doch nie ganz hinter sich gelassen hatten.
Als ihr Volk noch nicht seßhaft gewesen war. Als es noch dem Zug der wandernden Karibu-Herden gefolgt war. Bevor der weiße Mann in ihr Land gekommen war und ihnen schließlich Orte zugewiesen hatte, an denen sie fortan zu wohnen hatten. Orte, die Beaver oder Venetie oder Arctic Village hießen - oder Nuiqtak, das Dorf am Col-ville River, wo auch Benji Hosteen zu Hause war.
Der Junge war regelrecht aufgegangen in den Geschichten der Alten. Unsichtbar hatte er all jene Jagden miterlebt, von denen sie berichteten, ihre anstrengenden Wanderungen mitgemacht. Und auf diese Weise war er vielleicht ebenso eins geworden mit der Natur, wie seine Vorfahren es einmal gewesen waren. Jedenfalls war er ihr näher als andere Kinder seines Dorfes, die für die Erzählungen der Alten, wenn überhaupt, nur ein Lächeln übrig hatten.
Benji verstand es, aus Holz, Knochen, Steinen und dem Elfenbein der Walrösser Werkzeuge und Waffen zu fertigen; er wußte, wie man aus Tierhäuten und Pflanzenfasern Kleidung, Zelte, Behälter, Seile und Decken machte; und er konnte aus Grassoden
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