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Der Tod ist kein Gourmet

Der Tod ist kein Gourmet

Titel: Der Tod ist kein Gourmet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean G. Goodhind
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alle lächelten und waren begeistert.
    »Das hätte Sean gefallen«, kommentierte Gloria Cross. »Er hat immer die Sonne auf seiner Haut so gemocht.«
    Bobo trottete tröpfelnd den ganzen Weg zur Kirche.
    Gloria Cross blieb noch zurück und bewunderte den Regenbogen. Honey bildete die Nachhut – schließlich war sie eigentlich kein Trauergast. Sie konnte draußen warten, wenn sie wollte.
    Sie blieb bei ihrer Mutter stehen. »Hat dieser Hund in deiner Wohnung Pfützen hinterlassen?«, flüsterte sie.
    »Natürlich nicht! Ich habe Bobo in den Putzmittelschrank draußen bei der Treppe eingesperrt. Das habe ich Dora natürlich nicht erzählt.«
    »Klar«, murmelte Honey.
    Die Kirche war voller Trauergäste, zumeist Frauen. Es konnte natürlich daran liegen, dass Frauen eine höhere Lebenserwartung hatten als Männer, aber die Trauernden konnten auch Mitglieder des Sean-O’Brian-Fanklubs sein.
    Honey bemerkte, dass die meisten von ihnen so vernünftig gewesen waren, Schirme mitzunehmen. Ihre Kleidung war noch makellos, während Honey vor sich hin dampfte.
    Trotz ihres Alters und ihrer schwachen Gelenke marschierte die Viererbande, die Honey hergebracht hatte, durch den Mittelgang und ließ sich von nichts und niemand aufhalten. Die Mädels waren wild entschlossen, sich einen guten Platz mit Blick auf die Ereignisse zu sichern. Mit gesenktem Kopf und ausgefahrenen Ellbogen drängelten sie sich nach vorn. Mit ein paar kleinen Schubsern räumten sie sich den Weg frei. Schließlich hatten Gloria Cross und ihre Freundinnen eine Bankreihe etwa in der Mitte des Kirchenschiffs erobert, von wo aus sie einen gutenBlick auf den Sarg haben würden. Honey folgte ihnen und war plötzlich froh, dass die schlappe Hutkrempe ihr peinlich berührtes Gesicht verbarg.
    Ihre Mutter gab ihr einen Rippenstoß. »Geh du zuerst rein. Ich will am Gang sitzen, damit ich sehen kann, was passiert.«
    Die alten Damen traten einen Schritt zurück, während Honey sich in die Bankreihe schlängelte, bis sie mehr oder weniger gegen die weiß getünchte Kirchenwand gepresst saß.
    Einige der Trauergäste, die einen Ellbogen in die Rippen bekommen hatten oder auf deren Zehen ein wohlplatzierter Schuh gelandet war, warfen den vieren giftige Blicke zu. Nicht dass die alten Mädels das bemerkten. Oder, wenn sie es bemerkt hatten, standen sie drüber. Sie zankten lautstark, zumindest viel zu laut für eine Kirche, in der sich eine Trauergemeinde versammelt hatte.
    Honey verdrehte die Augen gen Himmel. Plötzlich waren die Dachbalken des Dachstuhls ungeheuer interessant. Sie wünschte, sie könnte einfach da oben sitzen wie ein Huhn auf der Stange und den Gottesdienst von oben betrachten.
    Endlich saßen alle und bereiteten sich darauf vor, einem Mann die letzte Ehre zu erweisen, den sie sehr bewundert, vielleicht sogar heiß begehrt hatten. Dora zog eine Schachtel mit Papiertaschentüchern hervor und schnäuzte sich. Die Schachtel war sehr groß. Honey war sich nicht sicher, ob mit den Papiertüchern Tränen getrocknet oder Bobos »kleine Missgeschicke« aufgewischt werden sollten.
    Egal. Die alten Mädels waren in ihrem Element. Sie brauchten Honey jetzt nicht mehr. Sie konnte in Frieden den Gottesdienst genießen – falls genießen hier der richtige Ausdruck war.
    Zum ersten Mal, seit Honey die vier abgeholt hatte, wich die Spannung aus ihren Schultern, und der feste Knoten in ihrem Magen begann sich zu lösen. Sie schloss die Augen und senkte den Kopf wie zum Gebet. Ehrlich gesagt, es fehlte nicht viel, und sie wäre eingeschlafen. Sie war völlig fertig, aber zumindest war der erste Teil heil überstanden. Nun musste sie nur noch die Predigt, die Beerdigung und den Leichenschmaus hinter sich bringen und die vier wieder nach Hause kutschieren. Kinderleicht! Vielleicht konnte sie inzwischen ein bisschen dösen.
    Plötzlich begann jemand mit einer Stimme, die man nur als bestürzend laut bezeichnen konnte, ein Lied zu singen.
    Honey, deren Augenlider schon schwer geworden waren, fuhr plötzlich auf. Hatte sie was verpasst? Sie hatte keine Ankündigung gehört. Wahrscheinlich, weil du gedöst hast, dachte sie.
    Dösen kam nun nicht mehr in Frage.
    Die Stimme ließ selbst die Dachbalken erbeben.
    Hier spielte keine Orgel, sondern eine junge Dame in einem hautengen Seidenkleid mit einem abgrundtiefen Dekolleté schmetterte die erste Strophe von »Simply the Best«. Nur war sie leider nicht Tina Turner. Das Lied war ohnehin eine Überraschung, denn eigentlich

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