Der Tod ist kein Gourmet
gestanden. Die traurige Wahrheit war, dass die Bank den Besitzern den Kredit gekündigt hatte. Agnes und ihr Ehemann Walter hatten hart gearbeitet, um ihr kleines Hotel in Gang zu bringen. Es hatte nur neun Zimmer gehabt, war also für ein Hotel eher klein, für eine Pension ziemlich groß.
Sie hatten es langsam, aber sicher immer schöner gemacht, am Äußeren und Inneren des Gebäudes gearbeitet, die altmodische Wandverkleidung durch helle, schöne Tapeten und leuchtende Farben ersetzt. Die alten Möbel hatten sie hinausgeworfen und stattdessen schöne Antiquitäten hineingestellt, die sie günstig bei Auktionen in der Umgebung erworben hatten.
Als sie fertig waren, war das Hotel ein echtes Schmuckstück. Es war gemütlich und traditionell eingerichtet. Den meisten Gästen hatte die antike Möblierung gefallen. Sehr wenige hatten sie nicht zu schätzen gewusst. Eine Zeitlang hatte das Hotel gute Gewinne abgeworfen, genug, um davonzu leben und ihren Sohn auf die Universität zu schicken, wo er Wirtschaftswissenschaften studierte. Es war alles wunderbar gelaufen – bis zu einem Abend im Juni.
Agnes Morden verzog das Gesicht, als sie an den Menschen dachte, der sich alle Mühe gegeben hatte, ihr Geschäft zu ruinieren. C. A. Wright war in seiner Kritik beißend und verächtlich gewesen. Was gab ihm das Recht, sie so herunterzumachen? Dabei hatten sie ihn gut behandelt. Sie hatten sich riesige Mühe mit ihm gegeben. »Vielleicht«, hatte Walter damals gesagt, »hat er es genau deswegen getan.«
C. A. Wright hatte es immer gemocht, wenn man viel Wirbel um ihn machte. Manche Leute waren eben so. Sie wollten keine Dienstleistungen, sie wollten, dass man unterwürfig war, und je mehr man sich verbeugte und buckelte, desto besser gefiel es ihnen. Agnes spitzte die Lippen, wenn sie an sein herrisches Wesen dachte. Sie hatte ihr Bestes gegeben, war sogar die halbe Nacht aufgeblieben, um ein paar Kleidungsstücke zu waschen und zu bügeln, die er angeblich am nächsten Tag dringend benötigte.
Der folgende Tag war dann aber nicht halb so sonnig. Wright hatte ihnen frech ins Gesicht gelacht und ihnen gesagt, sie seien nur Dilettanten, die keine Ahnung hätten, wie »das Geschäft« funktionierte. Man bekam nur eine gute Kritik, wenn man dafür zahlte.
Agnes war in Tränen ausgebrochen. Walter war wütend geworden und hatte sich ganz offen geweigert, ihm Schmiergeld anzubieten. Dann hatte er sich an ihre Tochter herangemacht. Sie war gerade eben sechzehn, kaum aus der Schule, und er hatte sie angebaggert. Cathy hatte sich geschmeichelt gefühlt. Eigenwillig und neugierig geworden, hatte sie trotz des Widerstands ihrer Eltern Wrights Annäherungsversuche ermutigt.
Dieser Vorfall hatte Walters erste Herzattacke verursacht. Danach war er nie wieder ganz gesund geworden. Und dann folgte die Rezession. Der Wechselkurs war so ungünstig, dass nur noch wenige Gäste aus dem Ausland kamen. Alles hatte sich gegen sie verschworen, aber der Auslöser für ihren Ruin, so sah Agnes es jedenfalls, war C. A . Wright gewesen.
Die Tatsache, dass er tot war, zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen, obwohl alles noch sehr weh tat. Es machte sie traurig, dass das Hotel nun verkauft und in Luxus-Appartements umgewandelt werden sollte. Aber zumindest hatte es ein wenig Rache gegeben. C. A. Wright war tot. Möge er in der Hölle schmoren!
»Es gibt doch eine himmlische Gerechtigkeit, Walter«, sagte sie laut. Es hörte sie natürlich niemand. Walter war völlig am Boden zerstört gewesen, weil alles verloren war, wofür sie gearbeitet hatten. Vor zwei Monaten war er seinem dritten Herzanfall erlegen. Ihre ganze Welt war über ihr zusammengebrochen.
C. A. Wright hatte damals ihrer Tochter Cathy weiter nachgestellt, bis Walter ausgerastet war und ihm einen rechten Haken versetzt hatte – voll auf die Nase! Der Mann war zurückgetaumelt und hatte dann hämisch gelacht. Danach begann er wirklich, ihnen zuzusetzen. Es folgten Besuche vom Gewerbeaufsichtsamt, vom Stadtplanungsamt, sogar vom Finanzamt. Wright hatte sie alle auf das Hotel gehetzt. Walter hatte seinen zweiten Herzanfall gehabt, von dem er sich sehr langsam erholt hatte. Von dieser Zeit an war es mit dem Geschäft bergab gegangen. Agnes hatte nichts dagegen tun können. Ihr war es wichtiger gewesen, sich um Walter zu kümmern als ums Geschäft. Zu allem Überfluss war ihre Tochter dann auch noch mit Wright durchgebrannt. Agnes hatte die Dinge schleifen lassen. Die Gäste blieben aus.
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