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Der Tod ist kein Gourmet

Der Tod ist kein Gourmet

Titel: Der Tod ist kein Gourmet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean G. Goodhind
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geirrt, und er meinte gar nicht sie. Auf einer Bank etwas außer Hörweite saß eine alte Dame und fütterte Tauben. Eine Frau mit orangefarbenen Gewändern und vielen Holzperlenketten übte unter einem Baum T’ai Chi. Zwei kleine Kinder rannten herum, während sich ihre Mütter auf einer Bank niedergelassen hatten, rauchten und sich unterhielten.
    Sonst war niemand in der Nähe. Sie hatte tatsächlich den Kürzeren gezogen. Der Spinnenmann mit den blond gefärbten Haaren meinte sie.
    Jetzt stand er vor ihr und versperrte ihr den Weg. Seine Hände hielt er zu Fäusten geballt auf Taillenhöhe. Es sah so aus, als wollte er jeden Augenblick weiterrennen. Entweder das, oder er überlegte, ob er einen linken Haken schlagen sollte. Honey spannte alle Muskeln an, um sich, wenn nötig, wegzuducken. Auf den zweiten Blick bemerkte sienun, dass der Mann etwa sechzig war und sie sicher leicht mit ihm fertig werden würde – selbst falls er sie am Kinn traf.
    »Meinen Sie mich?«, fragte sie und versuchte sich so lässig wie möglich zu geben, obwohl sie gerade über einen Sprint in die entgegengesetzte Richtung nachdachte.
    »Jawohl«, schnaufte der Mann zwischen keuchenden Atemzügen. »Sie sind doch die Tussi, die dieses Kriminalzeugs mit dem Hoteldings macht?«
    Seine schmale Brust hob und senkte sich wie ein Blasebalg.
    Sie glaubte zu wissen, welches Zeugs und welches Dings er meinte. »Wenn Sie das Dings mit dem Hotelfachverband meinen, dann bin ich das. Die Verbindungsperson zur Kriminalpolizei.«
    »Ich will mit Ihnen sprechen.«
    »Das tun Sie ja bereits.« Honey schaute ihn fest entschlossen an, obwohl sie in Wahrheit innerlich etwa so fest war wie ein reifer Camembert. Die Spinner lauerten einem doch an höchst unerwarteten Orten auf. Sogar im Henrietta Park. Sogar in Bath.
    »Ich wollte Ihnen sagen, dass ich den Brief aus einer spontanen Laune heraus geschrieben habe.«
    Den Brief? Welchen Brief? Vielleicht hatte er doch die falsche Person erwischt? Sie hoffte es von ganzem Herzen.
    Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Ich will ihn zurück«, plärrte er. Es klang, als hätte er dazu all seinen Mut zusammengenommen.
    Die feinen Äderchen auf den bleichen Wangen und seiner überlangen Nase wurden mit jeder Sekunde roter.
    Honey trat einen Schritt zurück und schaute den Mann von der Seite an. Sie hatte kürzlich an einem Kurs überSelbstbehauptung, Selbstverteidigung und Krisensituationen teilgenommen. Da hatte sie gelernt, dass man in einem solchen Moment den Ton locker und leicht halten sollte. Damals hatte sie sich nicht vorstellen können, wann sie das Gelernte je anwenden würde. Sie würde es ja wohl kaum einmal mit einer Geiselnahme zu tun bekommen. Dies hier war aber schon ziemlich dicht dran. Also zuckte sie lächelnd die Achseln. Es würde ja nicht schaden, die gelernten Reaktionen in der Praxis zu üben. »Ich weiß nichts von einem Brief.«
    »O doch! Und ich will ihn zurück!«, blaffte er.
    Das war alles absurd. Völlig absurd.
    Sie schüttelte den Kopf und lachte noch mehr – kein manisches, nur ein freundliches, ganz und gar harmloses Lachen. Der Kurs hatte sich wirklich gelohnt. Leider entwickelte sich die Sache nicht ganz so, wie sie es geplant hatte.
    »Sie sind verrückt! Ich habe keinen Schimmer, wovon Sie reden.«
    Seine Augen starrten sie an – helle, wässrige Augen. Die Äderchen auf seinem Gesicht waren nun dunkelrot. »Wenn Sie mir den Brief nicht geben ...«
    »Ich kann Ihnen doch nicht geben, was ich nicht habe«, sagte sie mit einem Kopfschütteln und freute sich, welches Verhandlungsgeschick sie an den Tag legte.
    Der blonde Jogger zerstörte diese Illusion sofort. Mit einer raschen Bewegung packte er Bobos rosa Leine.
    Völlig überrumpelt, schrie Honey vor Schmerz auf, als ihr das Leder in die Hand schnitt.
    »Das können Sie nicht machen«, brüllte sie und versuchte verzweifelt, nicht an das sorglose Leben ohne Bobo zu denken.
    »O doch!«
    Sie vermochte kaum zu glauben, was als Nächstes geschah.Der Mann riss ihr die Leine aus der Hand und schleuderte Bobo in die Höhe wie ein Jojo. Der Hund landete in seiner Armbeuge.
    »Das können Sie nicht machen!«, schrie Honey noch einmal und war sich nicht sicher, ob sie damit meinte, dass er ihr den Hund weggenommen oder dass er die arme Bobo so durch die Luft geschleudert hatte.
    Er rannte schon wieder weiter und rief ihr über die Schulter hinweg noch zu: »Sie kriegen Ihren Hund erst

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