Der Tod ist kein Gourmet
zurück, wenn ich den Brief habe.«
»He! Das ist nicht mein Hund! Bringen Sie ihn sofort zurück!«
»Ha!«, schrie er zurück. Dann war er nur noch eine verschwommene Figur, die sich rasch mit Bobo unter dem Arm entfernte.
»Bobo! Du Verräterin!«
Die rauchenden und redenden Frauen schauten zur ihr herüber, hielten kurz inne und nahmen dann ihr Gespräch wieder auf.
Honey machte ein paar Schritte hinter dem Jogger her, blieb aber plötzlich stehen. Seine Beine waren länger als ihre. Sie dagegen hatte das Schäufelchen!
»He!«, rief sie ihm nach. »Sie müssen Strafe zahlen, wenn sie so was nicht dabeihaben!« Sie wedelte mit der roten Plastikschaufel und der Plastiktüte. Er nahm natürlich keinerlei Notiz.
»Sie müssen Strafe zahlen, wenn Bobo einen Haufen auf den Rasen macht«, fügte sie lahm hinzu.
»Und Sie haben keine Pampers«, ergänzte sie mit einem bösen Lächeln. »Schade für Ihr Parkett oder Ihre teuren Wollteppiche.«
Aus ihrem Lächeln wurde ein Grinsen. Bobos Kidnapper hatte ja keine Ahnung, worauf er sich eingelassen hatte.
Wahrscheinlich würde sie Bobo nie wiedersehen. Das war doch was?
In bester Laune warf sie Schäufelchen und Plastiktüte in den nächsten Abfalleimer, rieb sich zufrieden die Hände und machte sich auf den Heimweg.
Das würde natürlich Konsequenzen haben, aber die konnte sie ruhig auf sich zukommen lassen. Erstens bestand ja keine Notwendigkeit, ihrer Mutter zu erzählen, was geschehen war.
Seit sie ihrer Tochter den Hund aufgeschwatzt hatte, hatte sich Gloria Cross tunlichst vom Green River Hotel ferngehalten und auch nicht angerufen. Sie war untergetaucht und würde sicher erst wieder nach der Testamentseröffnung in Erscheinung treten, wenn man Genaueres über die Zukunft des Hundes wusste.
Lösegeld würde niemand zahlen. Keine der alten Freundinnen der Verstorbenen war sonderlich erpicht darauf, Bobo ein Zuhause zu geben, also weckte man jetzt besser keine schlafenden Hunde.
Das Beste war, dass sie Bobo los war. Honey strahlte mit der Sonne um die Wette. Der Himmel über der Pulteney Street erschien ihr jetzt besonders blau. Sie lächelte Passanten an und zwinkerte älteren Herren zu, deren Beine ihnen fast den Dienst versagten, deren Phantasie aber wohl noch recht beweglich war, wenn man bedachte, wie einige zurückzwinkerten.
Na also! Wenn man glücklich ist, macht man auch andere glücklich. Da kann man mal sehen, was positives Denken alles schafft, sagte sie sich und konnte ein albernes Grinsen nicht unterdrücken.
»Armer Kerl«, murmelte sie vor sich hin und meinte damit nicht den Hund. Sie hoffte, dass der Typ, der Bobo mitgenommen hatte, einen wirklich teuren Perserteppichhatte – oder neu verlegten hellen Teppichboden. Jedenfalls würde nichts makellos rein bleiben. Bobo zog ein!
Und der Brief? Welcher Brief? Hatte das möglicherweise was mit C. A. Wright zu tun? Davon musste sie wohl ausgehen.
Sechzehn
»Irgendwas mit einem Brief.«
Honey nuschelte die Worte vor sich hin, und alles wegen Bobo. Sie hatte ja schon gehört, dass es eine große Verantwortung war, sich um einen Hund zu kümmern. Man war angebunden. Man konnte nichts tun und nirgends hingehen, ohne den Hund im Schlepptau zu haben. Und wenn er dann weg war ...? Jipeee!
Sie war inzwischen schon beim vierten Wodka und Tonic angelangt – daher das Nuscheln und die angenehme Schwammigkeit im Kopf.
»Er hat also deinen Hund entführt und will ihn gegen diesen Brief eintauschen? Und deswegen feierst du jetzt?«
Sie schaute ihn mit einem seligen Grinsen auf dem Gesicht an, dem gleichen, das seit Bobos Entführung auf ihren Zügen lag. Wäre sie nüchterner gewesen, hätte sie sich gefragt, warum Steve Doherty sie so nachdenklich anschaute. Normalerweise merkte sie es gleich, wenn sein Gehirn auf Hochtouren arbeitete. Normalerweise hätte er auf ihre Erzählung von dem albernen Hund, der entführt worden war, mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Humor reagiert. Das tat er diesmal jedoch nicht – im Gegenteil, er schien die Sache sehr ernst zu nehmen.
Honey dagegen fand es entschieden schwer, ein seriöses Gesicht zu machen. Sie war high, sie freute sich, sie wollte feiern – daher die Drinks. Steve verschwamm ihr ein wenig vor den Augen, als sie jetzt mit Nachdruck nickte.
»Das hat er gesagt. Einen Brief will er haben. Einen Brief, von dem ich, wie ich ihm gesagt habe, keine Ahnung habe.«
Sie kicherte, schüttelte den Kopf, um ihre Aussage zu unterstreichen, und
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