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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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tragen wird, gebe ich keinen Pfifferling."
    Ich fuhr fort: "Suchen Sie Ihre Männer aus!"
    Die beiden SS-Männer kamen im Laufschritt mit dem Scheinwerfer zurück. Pick schloß ihn selbst an die außen befindliche Steckdose an und entrollte das Kabel. Ich sagte: "Das Kabel muß ziemlich lang sein. Wenn der Angriff gelingt, muß man in den Auskleideraum vordringen können."
    Pick nickte. Zwei Mann waren schon hinter der Tür postiert. Fünf andere standen in einer Reihe auf der ersten Treppenstufe. Der mittlere, ein Scharführer, hielt den Scheinwerfer vor der Brust. Die fünf Mann standen unbeweglich mit gespanntem Gesicht. Pick rief einen Befehl, sie gingen in vollendetem Gleichschritt die Treppe hinunter, und das elektrische Kabel rollte hinter ihnen her wie eine Schlange. Ungefähr anderthalb Meter vor der Tür machten sie halt. Fünf andere SS-Männer nahmen sofort ihren Platz auf der ersten Stufe ein. Stille lagerte über dem Hof. Pick beugte sich über die Treppe, sprach leise mit dem Scharführer, der den Scheinwerfer hielt, und hob die Hand. Ich sagte: "Moment, Pick."
    Er sah mich an und ließ seine Hand wieder sinken. Ich wandte mich nach der Treppe, die Männer des zweiten Kommandos traten beiseite, und ich ging die Treppe hinab. "Geben Sie her!"
    Der Scharführer blickte mich bestürzt an. Schweiß rann über sein Gesicht. Nach einer Sekunde faßte er sich und sagte: "Jawohl, Obersturmbannführer."
    Er gab mir den Scheinwerfer, und ich sagte: "Sie können wegtreten."
    Der Scharführer sah mich an, knallte die Hacken zusammen, machte kehrt und ging die Stufen hinauf. Ich wartete, bis er oben war, und sah die Männer des Kommandos einen nach dem anderen an. "Wenn ich sage ,Ja!, öffnet ihr die Türen, wir gehen zwei Schritte vor, ihr werft euch hin und fangt an zu schießen. Die Scharfschützen passen die günstigsten Augenblicke ab."
    "Obersturmbannführer!"
    sagte eine Stimme. Ich drehte mich um und hob den Kopf. Pick sah von oben herab. Sein Gesicht war verstört. "Obersturmbannführer, das ist doch. ..unmöglich! Das ist. .."
    Ich blickte ihn fest an, und er schwieg. Ich drehte mich wieder um, sah gerade vor mich hin und sagte: "Ja!"
    Die beiden Türflügel schlugen zurück. Ich preßte den Scheinwerfer gegen meine Brust, tat zwei Schritte vorwärts, die Männer warfen sich zu Boden, und die Kugeln begannen um mich herum zu pfeifen. Kleine Stücke Beton fielen zu meinen Füßen nieder, und die Maschinenpistolen meiner Männer traten in Tätigkeit. Ich schwenkte meinen Scheinwerfer langsam von links nach rechts, und die Scharfschützen zu meinen Füßen schossen zweimal. Ich schwenkte den Lichtkegel langsam wieder nach links, die Kugeln pfiffen wie wild, und ich dachte: ,Jetzt ist es vorbei.' Ich führte den Lichtkegel abermals nach rechts und hörte durch das ununterbrochene Knattern der Maschinenpistolen hindurch die dumpfen Abschüsse der Scharfschützen. Dann pfiffen keine Kugeln mehr. Ich rief "Vorwärts!", wir drangen in den Ankleideraum ein, und nach ein paar Schritten befahl ich, das Schießen einzustellen. Die halbausgekleideten Juden standen in einer Ecke des Raumes. Sie waren zu einer riesigen wirren Masse zusammengeballt. Der Scheinwerfer leuchtete in verstörte Augen. Pick tauchte neben mir auf. Ich fühlte mich mit einem Male sehr erschöpft. Ich übergab den Scheinwerfer einem Schützen und wandte mich zu Pick. "Übernehmen Sie das Kommando."
    "Zu Befehl, Obersturmbannführer."
    Er fuhr fort: "Sollen wir die Vergasung wieder aufnehmen?"
    "Sie würden Schwierigkeiten haben. Lassen Sie einen nach dem anderen durch die kleine Tür hinausgehen, führen Sie sie in den Seziersaal und erschießen Sie sie. Einen nach dem anderen."
    Ich stieg langsam die Stufen hinauf, die in den Hof führten. Als ich erschien, entstand Totenstille, und alle SS-Männer erstarrten. Ich winkte ihnen, zu rühren. Sie rührten, aber sie schwiegen weiter, und ihre Blicke ließen mich nicht los. Ich erkannte daran, daß sie das, was ich getan hatte, bewunderten. Ich stieg ins Auto und knallte wütend die Tür zu. Pick hatte recht. Ich hätte mich dieser Gefahr nicht aussetzen dürfen. Die vier Krematorien waren fertiggestellt, aber ihr gutes Funktionieren hing noch für gewisse Zeit von meiner Anwesenheit ab. Ich hatte meine Pflicht verraten. Ich kam wieder in mein Büro und versuchte zu arbeiten. Mein Geist war leer, und es gelang mir nicht, mich zu konzentrieren. Ich rauchte eine Zigarette nach der anderen. Um halb acht

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