Der Tod ist mein Beruf
mir die Worte im Halse stecken. Ich erinnerte mich mit Entsetzen, daß der Reichsführer den Befehl gegeben hatte, seinen eigenen Neffen zu erschießen. Ich senkte die Augen. Es war zu spät. "Du bist dir dessen nicht sicher", sagte Elsie mit entsetzlicher Geringschätzung, "siehst du, du bist dir dessen nicht sicher. Und wenn der Reichsführer dir sagte, du sollst Franz töten, würdest du es tun."
Sie entblößte zur Hälfte ihre Zähne, sie schien sich zu sammeln, und ihre Augen begannen in einem wilden, tierischen Glanz zu leuchten. Die so ruhige, sanfte Elsie ...Ich blickte sie an, von so viel Haß wie gelähmt, an den Boden genagelt. "Du würdest es tun!"
sagte sie heftig. "Du würdest es tun."
Ich weiß nicht, was dann geschah. Ich schwöre, daß ich antworten wollte: ,Natürlich nicht!', ich schwöre, daß ich die lautere und ausdrückliche Absicht dazu hatte, aber statt dessen blieben mir plötzlich die Worte in der Kehle stecken, und ich sagte: "Natürlich."
Ich glaubte, sie wollte sich auf mich stürzen. Eine endlose Zeit verging. Sie blickte mich an. Ich konnte nicht mehr sprechen. Ich wünschte verzweifelt, das Gesagte zurückzunehmen, mich zu erklären. ..Die Zunge klebte mir am Gaumen. Sie drehte sich um, öffnete die Tür, ging hinaus, und ich hörte sie schnell die Treppe hinauflaufen. Nach einer Weile zog ich langsam das Telefon heran, wählte die Nummer des Lagers, befahl den Wagen und ging hinaus. Meine Beine waren weich und kraftlos. Ich hatte Zeit, ein paar hundert Meter zu Fuß zu gehen, bevor mich das Auto traf. Ich war kaum einige Minuten in meinem Büro, als die Klingel des Telefons ertönte. Ich nahm den Hörer ab. "Obersturmbannführer?"
fragte eine kalte Stimme. "Ja?"
"Pick, im Krematorium II. Ich melde, Obersturmbannführer, die Juden des Transports 26 haben revoltiert."
"Was?"
"Die Juden des Transports 26 haben revoltiert. Sie haben sich auf die Scharführer gestürzt, die das Auskleiden überwachten, ihnen die Waffen abgenommen und die elektrischen Kabel herausgerissen. Die
Wachen draußen haben das Feuer eröffnet,und die Juden haben es erwidert."
"Und?"
"Es ist schwer, sie niederzuzwingen. Sie sind im Auskleideraum und schießen auf die Treppe, die zum Auskleideraum hinunterführt, sobald sie ein Paar Beine sehen."
"Es ist gut, Pick, ich komme."
Ich legte auf, ging sofort hinaus und warf mich in mein Auto. "Krematorium II."
Ich beugte mich vor. "Schneller, Dietz."
Dietz nickte, und der Wagen sprang vorwärts. Ich war niedergeschmettert. Nie bisher hatte ich eine Revolte gehabt. Die Bremsen kreischten auf dem Kies im Hof des Krematoriums. Ich sprang aus dem Auto. Pick war da, er trat an meine linke Seite, und ich schritt schnell mit ihm auf den Auskleideraum zu. "Wieviel Scharführer sind entwaffnet worden?"
"Fünf."
"Wie waren die Scharführer bewaffnet?"
"Mit Maschinenpistolen."
"Haben die Juden viel geschossen?"
"Nicht schlecht, aber sie müssen noch Munition übrig haben. .. Es ist mir gelungen, die Tore des Auskleideraums schließen zu lassen."
Er setzte hinzu: "Es hat zwei Tote und vier Verwundete gegeben. Die fünf Scharführer natürlich nicht mitgerechnet. Die. .."
Ich schnitt ihm das Wort ab: "Welche Maßnahmen schlagen Sie vor?"
Es entstand ein Schweigen, dann sagte Pick: "Wir könnten die Juden aushungern."
Ich sagte schroff: "Davon kann keine Rede sein. Wir können die Krematorien nicht so lange stillegen. Es muß rund gehen."
Ich ließ meine Blicke über die starke Kette von SS-Männern schweifen, die den Auskleideraum umgaben. "Die Hunde?"
"Ich habe es versucht. Aber die Juden haben die elektrischen Kabel herausgerissen, der Auskleideraum liegt im Finstern, und die Hunde wollen nicht hinein."
Ich überlegte und sagte: "Lassen Sie einen Scheinwerfer holen!"
Pick rief einen Befehl. Zwei SS-Männer rannten los. Ich fuhr fort: "Das Angriffskommando wird sieben Mann umfassen. Zwei Mann öffnen rasch die Tür und lassen sie zurückschlagen. Die laufen keine Gefahr. In der Mitte hält ein Mann den Scheinwerfer. Rechts von ihm schießen zwei Scharfschützen die bewaffneten Juden ab. Links von ihm schießen zwei andere Schützen nach Gutdünken. Das Ziel ist, die bewaffneten Juden zu vernichten und die anderen daran zu hindern, die Waffen aufzuheben. Ihnen obliegt, schon jetzt ein zweites Kommando vorzusehen, um das erste zu ersetzen."
Ein Schweigen folgte. Dann sagte Pick mit seiner kalten Stimme: "Für die Haut des Mannes, der den Scheinwerfer
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