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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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schießen. Blut spritzte auf, sie fielen heulend nieder, krochen auf dem Bauch auf mich zu und baten um Gnade, ich zerschmetterte ihnen die Gesichter mit Stiefel- tritten und schoß immer weiter. Andere tauchten auf, und wieder andere, Tausende und aber Tausende, ich mähte sie mit meinem Maschinengewehr unaufhörlich nieder, sie schrien, wenn sie fielen, Ströme von Blut flossen, die Leichen häuften sich vor mir, aber ich schoß immer weiter. Und dann war es plötzlich vorbei. Kein einziger Feind war mehr da. Ich erhob mich und befahl kurz meinen Leuten, aufzuräumen. Dann ging ich gestiefelt und behandschuht, fleckenlos, ins Offizierskasino, um ein Glas Kognak zu trinken. Ich war allein, ich fühlte mich hart und gerecht und hatte ein kleines Goldkettchen auf der rechten Brust. Auf dem Bahnhof war ich jetzt bekannt wegen meiner Tätigkeit als Hilfskrankenträger und der Armbinde, die ich trug. Im Frühjahr 1915 hielt ich es dort nicht mehr aus. Als ein Militärzug abfuhr, sprang ich auf das Trittbrett, Hände griffen nach mir, man zog mich hinauf, und erst als ich mitten unter ihnen war, dachten die Soldaten daran, mich zu fragen, was ich wollte. Ich sagte ihnen, daß ich mit ihnen zur Front wollte, um zu kämpfen. Sie fragten mich, wie alt ich wäre, und ich sagte: "Fünfzehn."
    Da fingen sie laut zu lachen an und gaben mir Klapse auf den Rücken. Schließlich bemerkte einer von ihnen, den sie den "Alten"
    nannten, man würde mich auf jeden Fall bei der Ankunft festnehmen und nach Hause schicken, aber einstweilen wäre es vielleicht gar nicht schlecht für mich, das Leben der Soldaten zu erleben und zu sehen, "was daran sei". Dann räumten sie mir einen Platz zwischen sich ein, und einer gab mir Brot. Es war schwarz und ziemlich schlecht, und "der Alte"
    sagte lachend: "Besser K-Brot als kein Brot."
    Ich aß es mit Wonne. Dann fingen die Soldaten an zu singen, und ihr lauter, männlicher Gesang drang in mein Inneres wie ein Pfeil. Die Nacht kam, sie schnallten ihre Koppel ab, machten die Kragen auf und streckten ihre Beine aus. In der Dunkelheit des Wagens atmete ich den Leder- und Schweißgeruch ein, den sie ausströmten. Ich machte einen zweiten Versuch Anfang März 1916. Er hatte nicht mehr Erfolg als der erste. An der Front wurde ich festgenom- men, verhört und nach Hause geschickt. Daraufhin verbot man mir den Zutritt zum Bahnhof, das Lazarett schickte mich nicht mehr zum Entladen der Züge, sondern verwandte mich als Aufwärter .

1916

    Ich ging an Saal sechs vorüber, bog nach rechts, wendete mich hinter der Apotheke nochmals nach rechts. Dort waren die Offizierszimmer. Ich ging langsamer. Die Tür Rittmeister Günthers stand wie gewöhnlich offen, und ich wußte, daß er auf den Kissen saß, vom Kopf bis zu den Füßen in Verbände gewickelt, den Blick auf den Korridor geheftet. Ich kam an der Tür vorbei, warf ihm einen raschen Blick zu, und er rief mit dröhnender Stimme: "Junge!"
    Ich bekam Herzklopfen. "Komm her!"
    Ich ließ Eimer, Schürze und Lappen auf dem Korridor und betrat sein Zimmer . "Brenn mir eine Zigarette an."
    "Ich, Herr Rittmeister?"
    "Du, ja, Dummkopf! Ist sonst noch jemand im Zimmer?"
    Und gleichzeitig hob er seine beiden Arme und zeigte mir die Verbände um seine Hände. Ich sagte: "Jawohl, Herr Rittmeister!"
    Ich steckte ihm eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an. Er tat zwei oder drei Züge hintereinander und sagte dann kurz: "Raus!"
    Ich nahm vorsichtig die Zigarette aus seinen Lippen und wartete. Der Rittmeister lächelte und sah dabei ins Leere. Soweit ich es bei den Verbänden, die ihn einhüllten, beurteilen konnte, war er ein sehr schöner Mann, und in seinem Lächeln wie in seinen Augen lag etwas Anmaßendes, das mich an Onkel Franz erinnerte. "Rein!"
    kommandierte der Rittmeister. Ich steckte ihm die Zigarette wieder zwischen die Lippen. Er zog daran. "Raus!"
    Ich nahm ihm abermals die Zigarette aus dem Mund. Er sah mich schweigend einen Augenblick scharf an, dann sagte er: "
    Wie heißt du?"
    "Rudolf, Herr Rittmeister."
    "Nun, Rudolf", sagte er leutselig, "ich sehe, daß du doch nicht so dumm bist wie Paul. Wenn dieses Schwein eine Zigarette anzündet, verbrennt er mindestens die Hälfte. Und obendrein ist er nie da, wenn ich ihn rufe."
    Er gab mir ein Zeichen, daß ich ihm die Zigarette zwischen die Lippen stecken sollte, tat einen Zug und sagte: "Raus!"
    Er sah mich an. "Und wo haben sie denn dich hergeholt, Bengel?"
    "Aus der Schule, Herr

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