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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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daß ich für den Bruchteil einer Sekunde Vater vor mir zu sehen glaubte. "Zum Donnerwetter! Welch eine Dummheit! Es gibt nur eine Sünde, Rudolf! Hör mir gut zu! Und das ist: kein guter Deutscher zu sein. Das ist Sünde. Ich, Rittmeister Günther, bin ein guter Deutscher. Was Deutschland mir zu tun befiehlt, das tue ich. Was meine deutschen Vorgesetzten mir zu tun befehlen, das tue ich. Und damit basta! Aber ich will nicht, daß diese Läuse mir das Blut aussaugen."

    Er hatte sich halb aus den Kissen erhoben und seinen mächtigen Oberkörper mir zugedreht; seine Augen schossen Blitze. Noch nie war er mir schöner erschienen. Nach einer Weile wollte er aufstehen und, auf meine Schulter gestützt, ein paar Schritte im Zimmer auf und ab gehen, Er hatte wieder gute Laune und lachte über jede Kleinigkeit. "Sag mal, Rudolf, was reden sie denn hier von mir?"
    "Hier im Lazarett?"
    "Ja, du Dummkopf, im Lazarett. Wo glaubst du denn, daß wir sind?"
    Ich überlegte sorgfältig. "Sie sagen, daß Sie ein echter deutscher Held sind, Herr Rittmeister."
    "So, so! Sagen sie das? Und was noch?"
    "Daß Sie so lustig sind, Herr Rittmeister."
    "Und weiter?"
    "Und die Frauen sagen, Sie wären. .."
    "Was?"
    "Darf ich es wiederholen, Herr Rittmeister?"
    "Natürlich, Dummkopf."
    ". ..ein ganz Gerissener."
    "So, so! Sie haben nicht unrecht. Ich werde es ihnen beweisen."
    "Und dann sagen sie, daß Sie sonderbar wären."
    "Und weiter?"
    "Sie sagen auch, daß Sie Ihre Leute lieben."
    Das war genau das, was man sagte, und ich glaubte ihm eine Freude zu machen, indem ich es wiederholte, aber sein Gesicht verdüsterte sich. "Quatsch! Dummes Zeug! Ich liebe meine Leute! Da sieht man ihre blöde Sentimentalität! Sie müssen überall die Liebe hineinbringen. Hör zu, Rudolf, ich liebe meine Leute nicht, ich nehme mich ihrer an, das ist etwas anderes. Ich nehme mich ihrer an, weil es Dragoner sind und ich Dragoneroffizier bin, und Deutschland braucht Dragoner. Das ist alles."
    "Aber sie sagen, als der kleine Erich starb, hätten Sie seiner Frau die Hälfte Ihres Soldes geschickt."
    "Ja, ja", sagte der Rittmeister augenzwinkernd, "und außerdem einen schönen Brief, in dem ich das Lob dieses kleinen Dreckfinken und Drückebergers, der nicht einmal richtig reiten konnte, in allen Tonarten gesungen habe. Und warum tat ich das, Rudolf? Weil ich Erich liebte? Ach! Überleg doch mal, Rudolf! Der kleine Dreckfink war tot: Er war also kein Dragoner mehr. Nein, wenn ich das getan habe, so darum, damit jeder im Dorf meinen Brief lesen und sagen sollte: ,Unser Erich war ein deutscher Held, und sein Offizier ist ein deutscher Offizier!"' Er blieb stehen und schaute mir in die Augen. "Des guten Beispiels halber, verstehst du? Wenn du eines Tages Offizier wirst, denke daran: an das Geld, an den Brief und alles. So

    muß man es machen, genau so! Des Beispiels halber, Rudolf, um Deutschlands willen."
    Er stellte sich vor mich hin, legte mir plötzlich seine beiden verbundenen Hände auf die Schultern und zog mich an sich. "Rudolf!"
    "Jawohl, Herr Rittmeister."
    Er sah auf mich herunter und versenkte seinen Blick in meinen. "Hör gut zu!"
    "Jawohl, Herr Rittmeister."
    Er drückte mich an sich und sagte betont und laut: "Für mich gibt's nur eine Kirche, und die heißt Deutschland."
    Ein Schauer überlief mich von Kopf bis zu den Füßen. Ich sagte mit bebender Stimme: "Jawohl, Herr Rittmeister!"
    Er beugte sich zu mir herab und preßte mich unbarmherzig an sich. "Meine Kirche heißt Deutschland. Wiederhole das!"
    "Meine Kirche heißt Deutschland"
    "Lauter."
    Ich wiederholte mit Donnerstimme: "Meine Kirche heißt Deutschland."
    "Gut so, Rudolf."
    Er ließ mich los und ging ohne meine Hilfe wieder zu Bett. Nach einem Weilchen schloß er die Augen und befahl mir durch einen Wink zu gehen. Bevor ich das Zimmer verließ, nahm ich aus dem Aschenbecher rasch die Zigarette, die er mir gegeben hatte, und als ich auf dem Korridor war, steckte ich sie in meine Brieftasche. Als ich an disem Abend nach Hause kam, war es halb acht durch. Mutter und meine beiden Schwestern saßen schon am Tisch. Sie warteten auf mich. Ich blieb auf der Schwelle stehen und ließ meinen Blick langsam über sie hingleiten. "Guten Abend, Rudolf", sagte Mutter, und gleich darauf sagten es meine Schwestern als ihr Echo. Ich setzte mich. Mutter trug die Suppe auf. Ich setzte den Löffel an die Lippen, und sogleich taten es mir alle nach. Als wir die Suppe gegessen hatten, brachte Mutter eine große

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