Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
Rittmeister."
    "Du kannst also schreiben?"
    "Ja, Herr Rittmeister."

    "Setz dich, ich will dir einen Brief an meine Dragoner diktieren."
    Weiter sagte er: "Weißt du, wo meine Dragoner sind?"
    "Saal 8, Herr Rittmeister."
    "Gut", sagte er befriedigt, "setz dich!"
    Ich setzte mich an seinen Tisch, er begann zu diktieren, und ich schrieb. Als er zu Ende war, brachte ich ihm den Brief, er las ihn noch einmal durch, schüttelte den Kopf und befahl mir, mich wieder hinzusetzen, um eine Nachschrift anzufügen. "Rudolf", sagte die Stimme der Oberschwester hinter meinem Rücken, "was machst du hier?"
    Ich sprang auf. Sie stand auf der Türschwelle, groß und steif, das blonde Haar glattgestrichen, die Hände vor dem Leib übereinandergelegt, mit strenger, abweisender Miene. "Rudolf", sagte der Rittmeister Günther und sah die Oberschwe-ster hochmütig an, "arbeitet für mich."
    "Rudolf", sagte die Oberschwester, ohne ihn anzusehen, "ich habe dir befohlen, Saal zwölf zu reinigen. Ich habe dir hier zu befehlen und sonst niemand."
    Rittmeister Günther lächelte. "Meine Gnädige", sagte er mit hochmütiger Höflichkeit, "Rudolf wird Saal zwölf weder heute noch morgen reinigen."
    "So!"
    sagte die Oberschwester, indem sie sich ihm voll zuwandte, "und darf ich fragen, warum, Herr Rittmeister?"
    "Weil er von heute an in meinen Dienst und den der Dragoner übertritt. Paul kann ja den Saal zwölf reinigen, wenn Sie es wünschen, meine Gnädige."
    Die Oberschwester richtete sich zu ihrer ganzen Höhe auf und sagte kalt: "Haben Sie sich über Paul zu beklagen, Herr Rittmeister?"
    "Gewiß, meine Gnädige, ich habe mich über Paul zu beklagen. Paul hat dreckige Hände und Rudolf saubere. Paul zündet Zigaretten schweinemäßig an und Rudolf richtig. Paul schreibt auch schweinemäßig, und Rudolf schreibt sehr schön. Aus allen diesen Gründen, meine Gnädige, und außerdem, weil er nie da ist, kann Paul sich aufhängen lassen, und Rudolf tritt von jetzt an in meinen Dienst."
    Die Augen der Oberschwester funkelten. "Und darf ich fragen, Herr Rittmeister, wer das angeordnet hat?"
    "Ich."
    "Herr Rittmeister", rief die Oberschwester mit keuchender Brust, "ich möchte, daß Sie ein für allemal begreifen, daß hier nur ich über die Verwendung des Personals zu entscheiden habe."
    "So?"
    sagte Rittmeister Günther. Und er lächelte mit einer unglaublichen Unverschämtheit, während er seinen Blick langsam über sie hingleiten ließ, als ob er sie auskleidete.

    "Rudolf", schrie sie mit vor Wut bebender Stimme, "komm mit! Komm sofort mit!"
    "Rudolf", sagte der Rittmeister Günther ruhig, "setz dich!"
    Ich sah sie beide an, und eine volle Sekunde lang zögerte ich. "Rudolf!"
    schrie die Oberschwester. Der Rittmeister sagte nichts, er lächelte. Er ähnelte Onkel Franz. "Rudolf!"
    rief die Oberschwester wütend. Ich setzte mich wieder hin. Sie machte kehrt und verließ das Zimmer . "Ich frage mich", rief der Rittmeister mit dröhnender Stimme, "was diese steife blonde Jungfer im Bett abgeben würde. Nicht viel wahrscheinlich! Wie denkst du darüber, Rudolf?"
    Am nächsten Tag änderte die Oberschwester den Dienstplan, und ich wurde zum Dienst bei Rittmeister Günther und seinen Dragonern bestimmt. Eines Morgens, als ich dabei war, in seinem Zimmer Ordnung zu machen, sagte er hinter meinem Rücken: "Ich habe schöne Geschichten von dir gehört."
    Ich drehte mich um, er sah mich mit strenger Miene an, mir war die Kehle wie zugeschnürt. "Komm her!"
    Ich näherte mich dem Bett. Er drehte sich in den Kissen auf die andere Seite, um mir ins Gesicht zu sehen. "Es scheint, du hast deine Arbeit auf dem Bahnhof dazu benutzt, dich zweimal in Transporte einzuschmuggeln, die an die Front gehen. Ist das wahr?"
    "Ja, Herr Rittmeister."
    Er sah mich einen Augenblick streng an. "Setz dich!"
    Ich hatte mich in seiner Gegenwart nie gesetzt, außer um die Briefe an seine Dragoner zu schreiben, und ich zögerte. "Setz dich, Dummkopf!"
    Ich nahm mir einen Stuhl, rückte ihn ans Bett und setzte mich mit klopfendem Herzen. "Nimm eine Zigarette!"
    Ich nahm eine Zigarette und hielt sie ihm hin. Er winkte ab. "Sie ist für dich."
    Stolz überflutete mich. Ich nahm die Zigarette zwischen meine Lippen, zündete sie an, tat mehrere Züge hintereinander und fing sofort zu husten an. Der Rittmeister sah mir zu und lachte. "Rudolf", sagte er und wurde plötzlich wieder ernst, "ich habe dich beobachtet. Du bist klein, du hast nicht viel Benehmen, du redest nicht. Aber du bist

Weitere Kostenlose Bücher