Der Tod ist mein Beruf
klug, gebildet, und alles, was du tust, tust du, wie es ein guter Deutscher tun muß: gründlich."
Er sagte das in demselben Ton wie Vater, und fast, wie mir schien, mit dessen Stimme. "Dazu bist du mutig und begreifst deine Pflicht gegen das Vaterland."
"Ja, Herr Rittmeister."
Ich fing an zu husten. Er sah mich an und lächelte. "Du kannst die Zigarette weglegen, wenn du willst, Rudolf."
"Danke, Herr Rittmeister ."
Ich legte die Zigarette in den Aschenbecher auf dem Nachttisch, nahm sie dann zwischen Daumen und Zeigefinger und drückte sie sorgfältig aus. Er sah mir schweigend zu. Dann hob er seine verbundene Hand und sagte: "Rudolf."
"Ja, Herr Rittmeister."
"Und es ist schön, daß du es nach einem Mißerfolg noch einmal versucht hast."
"Ja, Herr Rittmeister."
"Aber es wäre noch schöner, wenn du Dragoner wärst."
Ich stand verblüfft auf. "Ich, Herr Rittmeister?"
"Setz dich!"
schrie er mich an. "Niemand hat dir befohlen aufzustehen."
Ich stand stramm und sagte: "Jawohl, Herr Rittmeister", und setzte mich wieder . "Nun", sagte ernach einer kleinen Weile, "wie denkst du darüber?"
Ich antwortete mit bebender Stimme: "Herr Rittmeister, ich denke, das wäre ganz einfach wunderbar."
Er sah mich mit vor Stolz funkelnden Augen an, schüttelte den Kopf und wiederholte ein paarmal in verhaltenem Ton : "Ganz einfach wunderbar."
Dann sagte er ernst, bedächtig und fast leise: "Gut, Rudolf, gut."
Das Herz hüpfte mir in der Brust. Ein Schweigen entstand, dann sagte der Rittmeister: "Rudolf, ich habe Auftrag, wenn die Kratzer hier geheilt sind, eine Abteilung aufzustellen."
Er fuhr fort: "Für eine unserer Fronten. Bevor ich von hier weggehe, gebe ich dir die Anschrift der Kaserne, und du meldest dich bei mir. Alles Weitere erledige ich."
"Ja, Herr Rittmeister!"
sagte ich, am ganzen Leibe zitternd. Dann kam mir sofort ein schrecklicher Gedanke. "Herr Rittmeister", stammelte ich, "aber sie werden mich nicht nehmen; ich bin noch nicht sechzehn."
"Ach was!"
sagte der Rittmeister lachend, "das macht nichts! Mit sechzehn ist man alt genug, um zu kämpfen! Das sind ihre idiotischen Gesetze! Aber du brauchst keine Angst zu haben, Rudolf, ich werde das erledigen."
Er richtete sich in den Kissen hoch, seine Augen leuchteten auf, und er rief zur Tür hin: "Guten Tag, mein Schatz!"
Ich drehte mich um. Die kleine blonde Schwester, die ihn pflegte, war da. Ich wusch mir am Waschtisch die Hände und half ihr, die Verbände des Rittmeisters abzunehmen. Das dauerte eine Weile, und während der ganzen Zeit hörte der Rittmeister, der gegen Schmerz unempfindlich zu sein schien, nicht auf zu lachen und zu scherzen. Schließlich fing die Schwester an, ihn von neuem wie eine Mumie in seine Verbände einzuwickeln. Mit seiner verbundenen Hand hob er ihr Gesicht hoch und fragte sie in halb ernstem, halb scherzhaftem Ton, wann sie sich entschließen würde, mit ihm zu schlafen. "Ach! Ich will aber nicht, Herr Rittmeister", sagte sie. "
Warum nicht?"
sagte er und sah sie spitzbübisch an. "Gefalle ich Ihnen nicht?"
"Doch, doch, Herr Rittmeister!"
sagte sie lachend. "Sie sind ein sehr schöner Mann."
Dann setzte sie mit völlig ernsthafter Miene hinzu: "Das ist doch Sünde."
"Ach was!"
sagte er ärgerlich. "Sünde! Dummes Zeug!"
Und bis zum Schluß tat er den Mund nicht mehr auf. Als sie gegangen war, drehte er sich mit wütendem Gesicht zu mir um. "Hast du's gehört, Rudolf? Diese kleine Gans! Hat so schöne Brüstchen und glaubt noch an Sünde. Herrgott, Sünde, was für eine Torheit! Das setzen ihnen die Pfaffen in den Kopf. Sünde! So betrügt man unsere biederen Deutschen. Diese Schweine hängen ihnen Sünden an, und unsere biederen Deutschen zahlen ihnen dafür Geld. Und je mehr diese Läuse ihnen das Blut aussaugen, um so zufriedener sind unsere Dummköpfe. Es sind Läuse, Rudolf, Läuse! Sie sind schlimmer als die Juden. Ich wünschte, ich hätte sie alle hier in meiner Hand; Herrgott, sie würden eine böse Viertelstunde erleben. Sünde! Man ist kaum geboren, da ist sie schon da. Man ist schon mit einer belastet. Von der Geburt an heißt es: Auf die Knie! So verdummen sie unsere biederen Deutschen. Mit Hilfe der Furcht! Die armen Idioten sind so feige geworden, daß sie nicht einmal mehr zu küssen wagen. Statt dessen rutschen sie auf den Knien, die Idioten, beten und schlagen sich an die Brust: 'Verzeihung, Herr! ...Verzeihung, Herr!"' Er ahmte so treffend einen Gläubigen nach, der seine Sünde bekennt,
Weitere Kostenlose Bücher