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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Lippmann girrte: "Ja, Herr Schrader."
    "Frau Lippmann, lieben Sie mich?"
    "Ach", sagte Frau Lippmann mit einem verzückten Blick, "was Sie für Sachen sagen, Herr Schrader! Und noch dazu vor Ihrem Freund!"
    "
    Wenn Sie mich lieben, dann holen Sie mir sofort Bier und belegte Brote. ..was Sie kriegen können. ..für den Jungen hier, für mich und auch für Sie, Frau Lippmann. Wenigstens wenn Sie mir die Ehre antun, mit mir zu speisen."
    Er zog seine dichten Augenbrauen hoch, blinzelte ihr schelmisch zu, umschlang sie und machte mit ihr pfeifend einige Walzerschritte durchs Zimmer. "Ach, Herr Schrader", sagte Frau Lippmann mit einem girrenden Lachen, "
    ich bin doch viel zu alt zum Walzertanzen. "

    "Was? Zu alt?"
    sagte Schrader. "Kennen Sie denn nicht das französische Sprichwort?"
    Er flüsterte ihr einige Worte ins Ohr, und sie schüttelte sich vor Lachen. Er ließ sie los. "Und dann, hören Sie zu, Frau Lippmann, bringen Sie eine Matratze für den Jungen. Er wird heute abend hier schlafen."
    Frau Lippmann hörte auf zu lachen und kniff die Lippen zusammen. "Hier?"
    "Los, los!"
    sagte Schrader. "Er ist eine Waise, er kann doch nicht auf der Straße schlafen. Herrgott, er ist ein deutscher Held! Frau Lippmann, für einen deutschen Helden muß man auch etwas tun können!"
    Sie verzog schmollend den Mund, und er fing an zu schreien: "Frau Lippmann! Frau Lippmann! Wenn Sie sich weigern, weiß ich nicht, was ich mit Ihnen mache."
    Er nahm sie in seine Arme, hob sie wie eine Feder hoch und begann mit ihr im Zimmer herumzulaufen, während er rief: "Sie holt der Wolf! Sie holt der Wolf!"
    "Ach, Sie sind ja verrückt, Herr Schrader!"
    sagte sie und lachte dabei wie ein kleines Mädchen. "Los, mein Schatz!"
    sagte er und setzte sie zu Boden, recht derb, wie mir schien. "Los, meine Liebe! Los!"
    "Aber nur Ihnen zu Gefallen, Herr Schrader."
    Und als sie durch die Tür ging, gab er ihr einen tüchtigen Klaps auf den Hintern. "Aber Herr Schrader!"
    sagte sie, und man hörte ihr girrendes Lachen auf dem Korridor verklingen. Nach einer Weile kam sie wieder. Wir tranken Bier und aßen Schmalzbrote, und Schrader überredete Frau Lippmann, uns Schnaps und noch mehr Bier zu bringen. Wir tranken weiter, Schrader redete unaufhörlich, die Witwe wurde immer röter und girrte immer mehr . Gegen elf Uhr zog sich Schrader mit ihr zurück; nach einer halben Stunde kam er mit einer Handvoll Zigaretten allein wieder . "Da", sagte er mit düsterer Miene, während er mir die Hälfte davon auf die Matratze warf, "man muß für einen deutschen Helden etwas tun können."
    Am folgenden Nachmittag begab ich mich zu Doktor Vogel. Ich nannte dem Dienstmädchen meinen Namen, sie kam nach einer kleinen Weile zurück und sagte mir, der Herr Doktor würde mich gleich empfangen. Ich wartete etwa eine Dreiviertelstunde im Salon. Die Geschäfte des Doktor Vogel mußten seit dem Krieg gut gegangen sein, denn das Zimmer war so luxuriös geworden, daß ich es gar nicht wiedererkannte. Endlich kam das Dienstmädchen zurück und führte mich in das Arbeitszimmer. Doktor Vogel saß hinter einem riesigen leeren

    Schreibtisch. Er war dick geworden und ergraut, aber sein Gesicht war immer noch schön. Er blickte auf meinen Mantel, winkte mir, näher zu kommen, drückte mir mit eisiger Miene die Hand und wies auf den Sessel. "Nun Rudolf", sagte er und legte seine beiden Hände flach auf den Tisch, "da bist du also."
    "Ja, Herr Doktor Vogel."
    Er sah mich eine ganze Weile an. Sein Körper und seine Hände zeigten keine Bewegung. Sein Gesicht mit den kraftvollen, regelmäßigen Zügen, das Gesicht eines römischen Kaisers, wie Vater sagte, sah wie eine schöne starre Maske aus, in deren Schutz seine graublauen Augen sich unaufhörlich bewegten und umherhuschten. "Rudolf", sagte er mit seiner tiefen, melodisch klingenden Stimme, "ich will dir keinen Vorwurf machen."
    Er machte eine Pause und sah mich an. "Nein, Rudolf", wiederholte er mit Nachdruck, "ich will dir keinen Vorwurf machen. Was du getan hast, kann niemand ungeschehen machen. Die Verantwortung, die du trägst, ist schwer genug; ich brauche wohl nichts weiter hinzuzufügen. Übrigens habe ich dir ja geschrieben, wie ich über dein Ausreißen denke und über die nicht wiedergutzumachenden Folgen, die es hatte."
    Er hob mit schmerzlicher Miene den Kopf und setzte hinzu: "Ich glaube, ich habe damit genug gesagt."
    Er hob leicht die rechte Hand "Was geschehen ist, ist geschehen. Es handelt sich jetzt um deine

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