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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Befehle gaben. Ich erinnerte mich an die Rufe der Menge und fragte: "Kannst du mir sagen, wer Liebknecht ist?"
    Die Soldaten platzten laut heraus, und der Unteroffizier lächelte. "
    Wie", sagte er, "das weißt du nicht? Wo kommst du denn her?"
    "Aus der Türkei."
    "Ach richtig!"
    sagte der Unteroffizier. "Liebknecht", sagte ein kleiner Soldat, "ist der neue Kaiser."
    Und alle fingen an zu lachen. Dann sah mich ein großer Blonder mit einem groben Gesicht prüfend an und sagte langsam, mit starkem bayrischen Akzent: "Liebknecht, das ist der Schweinehund, wegen dem wir hier stehen."
    Der Unteroffizier sah mich lächelnd an und sagte: "Los, geh nach Hause!"
    "Und wenn du Liebknecht triffst", rief der kleine braune Soldat, "sag ihm, wir warten auf ihn."
    Und er schwenkte sein Gewehr. Seine Kameraden lachten. Es war das Lachen von Soldaten, frei und fröhlich. Ich entfernte mich, ich hörte ihr Gelächter schwächer werden, und das Herz krampfte sich mir zusammen. Ich war in Zivil, ich hatte eine Bleibe bei Schrader, keinen Beruf und in der Tasche gerade so viel, um acht Tage leben zu können. Ich fand wieder ins Stadtzentrum zurück und war überrascht, es so belebt zu sehen. Die Läden waren geschlossen, aber in den Straßen wimmelte es von Menschen, der Verkehr war sehr stark, und niemand hätte denken können, daß zehn Minuten vorher geschossen worden war. Ich ging mechanisch geradeaus, und plötzlich trat die Krise ein. Eine Frau ging ganz nahe an mir vorbei. Sie lachte. Sie machte dabei den Mund weit auf, ich sah ihr rosiges Zahnfleisch, ihre glänzenden Zähne, die mir riesig erschienen, Furcht würgte mich, die Gesichter der Passanten glitten ohne Unterlaß an mir vorbei, wurden größer und schwanden wieder, und plötzlich waren es nur noch Kreise; Augen, Nase, Mund, Farbe, alles verschwamm, es waren nur noch weißliche Kreise wie die Augen von Blinden, sie schwollen an, wenn sie auf mich zukarnen, wie zitterndes Gallert, sie wurden noch größer und berührten fast mein Gesicht, ich bebte vor Entsetzen und Abscheu, es gab einen harten Klang, alles verschwand, und dann tauchte zehn

    Schritt vor mir ein anderer weißer, milchiger Kreis auf und kam, größer werdend, auf mich zu. Ich schloß die Augen, blieb stehen, von Furcht gelähmt, und eine Hand preßte mir die Kehle zu, wie um mich zu erwürgen. Mir strömte der Schweiß herunter, ich holte tief Atem und Wurde allmählich ruhiger. Ich fing wieder an, ziellos weiterzulaufen, immer geradeaus. Die Gegenstände sahen fahl und verschwommen aus. Plötzlich blieb ich wider Willen stehen, wie wenn jemand mir "Halt!"
    zugerufen hätte. Mir gegenüber war ein steinerner Torbogen, und unter dem Torbogen stand ein sehr schönes schmiedeeisernes Gittertor offen. Ich ging über die Straße, durch das Gittertor und die Stufen hinauf. Ein vertrautes derbes Gesicht erschien, und eine Stimme sagte: "Was wollen Sie?"
    Ich blieb stehen, blickte umher, alles war verschwommen und grau wie in einem Traum, und ich sagte mit einer Stimme wie von weit her: "Ich möchte Pater Thaler sprechen."
    "Der ist nicht mehr da."
    Ich wiederholte: "Nicht mehr da?"
    "Nein."
    Ich fuhr fort: "Ich bin ein alter Schüler."
    "Es schien mir auch so", sagte die Stimme. "Warten Sie mal, sind Sie nicht der Kleine, der mit sechzehnJahren sich freiwillig meldete?"
    "Ja."
    "Mit sechzehn Jahren!"
    sagte die Stimme. Ein Schweigen entstand. Alles war grau und gestaltlos. Das Gesicht des Mannes schien über mir zu schweben wie ein Ballon. Von neuem ergriff mich Furcht, ich wandte die Augen weg und sagte: "Darf ich eintreten und einmal herumgehen?"
    "Gewiß. Die Schüler haben Unterricht."
    Ich sagte: "Danke", und trat ein. Ich ging über den Hof der Unterklassen, dann über den der Mittelklassen, und endlich kam ich in meinen Hof. Ich überquerte ihn in der Diagonale. Ich sah vor mir eine Steinbank. Es war die Bank, auf die man Hans Werner gelegt hatte. Ich schlug einen Bogen, um sie zu meiden, setzte meinen Weg fort, erreichte die KapeIlmauer, dann machte ich kehrt, stellte meine Hacken an den Fuß der Mauer und ging los, meine Schritte zählend. So verging eine ganze Weile, und mir war, als hätte mich jemand sanft und kräftig in seine Arme genommen und wiegte mich.
    Gerade zu dem Zeitpunkt, als wir nur noch ein paar Pfennige besaßen, fand Schrader für uns beide eine Anstellung in einer kleinen Fabrik, die Metallschränke herstellte. Schrader wurde in die

    Malerwerkstatt gesteckt, was ihm täglich einen

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