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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Weile, "und ich weiß, daß es einst dein Traum war, Offizier zu werden. Aber du weißt doch selbst, Rudolf, es gibt kein deutsches Heer mehr. Überlege doch, was kannst du also jetzt machen? Ich begreife dich nicht."
    Er machte eine Pause, und da ich noch immer nicht antwortete, wiederholte er leicht ungeduldig: "Ich begreife dich nicht. Was hält dich denn davon ab, Priester zu werden?"
    Ich sagte: "Mein Vater."
    Doktor Vogel wurde dunkelrot, seine Augen funkelten, er erhob sich zu seiner ganzen Größe und schrie: "Rudolf!"
    Ich stand meinerseits auf. Er sagte mit erstickter Stimme: "Du kannst gehen."
    Ich schritt in meinem viel zu langen Mantel durch das ganze Zimmer. An der Tür angekommen, hörte ich seine Stimme: "Rudolf!"
    Ich drehte mich um. Er saß an seinem Schreibtisch, die Hände flach vor sich auf der Tischplatte. Sein schönes Gesicht war wieder geglättet. "Überleg es dir! Du kannst wiederkommen, wann du willst. Meine Vorschläge bleiben unverändert."
    Ich sagte: "Danke, Herr Vogel."
    Und ich ging hinaus. Auf der Straße ging ein leichter eisiger Regen nieder, ich schlug den Kragen meines Mantels hoch und dachte: ,Nun gut! Das ist vorbei. Das ist endgültig vorbei.' Ich lief aufs Geratewohl drauflos, ein Auto streifte mich, der Chauffeur fluchte, und ich merkte, daß ich, wie ein Soldat unter Waffen, auf dem Fahrdamm marschierte. Ich ging auf den Fußweg zurück und setzte meinen Weg fort. Ich kam in eine belebte Gegend, junge Mächen überholten mich lachend und drehten sich meines Mantels wegen um. Ein offener Lastwagen fuhr vorüber. Er war vollgestopft mit Soldaten und mit Arbeitern in ihrer Arbeitskleidung. Alle trugen sie ein Gewehr und eine rote Armbinde. Sie sangen die Internationale. Aus der Menge heraus stimmte man im Chor ein. Ein dürres Männchen, barhäuptig, mit geschwollenem Gesicht, überholte mich. Er trug eine feldgraue Uniform, und an der dunkleren Färbung des Stoffes an den Schultern erkannte ich, daß ihm die Abzeichen seines Ranges abgerissen worden waren. Ein anderer Lastwagen fuhr vorüber, voller Arbeiter, sie schwenkten Gewehre und riefen: "Hoch Liebknecht!"
    Die Menge etwiderte im Chor: "Liebknecht! Liebknecht!"
    Sie war jetzt so dicht, daß ich nicht weiter konnte. Eine plötzliche Gegenströmung warf mich beinahe um, ich hielt mich am Arm meines rechten Nachbarn fest und sagte: "Entschuldigen Sie bitte!"
    Der Mann hob den Kopf, er war ziemlich alt, sehr ordentlich gekleidet, und seine Augen blickten traurig. Er sagte: "Keine Ursache."
    Die Menge rückte weiter, ich fiel wieder gegen ihn und fragte: "
    Wer ist Liebknecht?"
    Er warf mir einen mißtrauischen Blick zu, sah sich um und schlug die Augen nieder, ohne zu antworten. Dann hörte man Schüsse, alle Fenster wurden geschlossen, und die Menge fing an zu laufen. Sie zog mich mit vorwärts, ich bemerkte rechts eine Seitenstraße, drängte mich durch, erreichte sie und rannte hinein. Nach fünf Minuten merkte ich, daß ich in einem Labyrinth enger Straßen war, die ich nicht kannte. Ich ging aufs Geratewohl eine von ihnen entlang. Der Regen hatte aufgehört. Da rief eine Stimme: "Du! Der Judenjunge da!"
    Ich drehte mich um. Zehn Meter entfernt von mir, in einer Seitenstraße, sah ich einen Trupp Soldaten und einen Unteroffizier. "Du da!"
    "Ich?"
    "Ja, du!"
    Ich schrie wütend: "Ich bin kein Jude."
    "Ach was!"
    sagte der Unteroffizier. "Nur ein Jude trägt so einen Mantel."
    Die Soldaten fingen an zu lachen, während sie mich musterten. Ich zitterte vor Wut. "Ich verbitte mir, daß man mich einen Juden nennt."
    "Sachte, Kerl!"
    sagte der Unteroffizier. "Mit wem glaubst du, daß du sprichst? Komm mal ein bißchen näher und zeig deine Papiere."
    Ich ging hin, nahm Haltung an und sagte: "Unteroffizier Lang, Dragonerregiment 28. Asienkorps."
    Der Unteroffizier runzelte die Stirn und sagte kurz: "Deine Papiere."
    Ich reichte sie ihm. Er prüfte sie lange und mißtrauisch, dann hellte sich sein Gesicht auf, und er gab mir einen kräftigen Schlag auf den Rücken. "Entschuldige, Dragoner! Aber du verstehst, dein Mantel. Du sahst so komisch aus. Wie ein Spartakist."

    "Hat nichts zu sagen."
    "Und was machst du denn hier?"
    "Ich gehe spazieren."
    Die Soldaten lachten, und einer rief: "Das ist kein Wetter zum Spazierengehen."
    "Er hat recht", sagte der Unteroffizier, "geh nach Hause! Es wird gleich Krawall geben."
    Ich sah ihn an. vor kaum zwei Tagen trug ich auch Uniform, hatte Männer zu befehlen und Vorgesetzte, die mir

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