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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ernste Probleme. Diesen Unannehmlichkeiten half die Verwendung von Cyclon B offensichtlich ab. Da man nicht mehr durch die geringe Leistungsfähigkeit eines LKWs, der das Gas erzeugte, beschränkt wurde, war es in der Tat klar, daß, wenn man die erforderliche Zahl von Büchsen Cyclon B verwandte, man in einer einzigen Halle die ganze Anlieferung vergasen konnte. Indem ich den Bau einer Halle von so großartigen Dimensionen ins Auge faßte, wurde mir bewußt, daß ich zum ersten Male Mittel ersann, die der historischen Aufgabe, die mir oblag, entsprachen. Es mußte nicht bloß schnell gehen, es mußte großzügig geschehen, und zwar gleich von Anfang an. Indem ich darüber nachdachte, kam ich zu der Überzeugung, daß die Halle unterirdisch und aus Beton sein müsse, sowohl um dem verzweifelten Ansturm einer so beträchtlichen Masse von Opfern standzuhalten, wie um die Schreie zu ersticken. Daraus folgte ferner, daß, wenn man keine Fenster mehr einbaute, durch die nach der Vergasung der Raum gelüftet werden konnte, man für ein künstliches Lüftungssystem sorgen mußte. Bei weiterem Nachdenken erschien es gleichfalls wünschenswert, vor diesem Raum einen Auskleideraum anzuordnen (mit Bänken, Kleiderhaken oder Kleiderbügeln ausgestattet), der einen geeigneten Anblick bieten würde, um die Patienten zu beruhigen. Dann richtete ich meine Aufmerksamkeit auf die Personalfrage, und hier schien es mir, als hätte Schmolde einen schweren Irrtum begangen, indem er nicht vorausgesehen hatte, daß das Sonderkommando der SS und das Sonderkommando der Häftlinge beide an Ort und Stelle wohnen und vom übrigen Lager streng isoliert sein mußten. Es war doch selbstverständlich, daß diese Einrichtung Zeitgewinn bedeutete und die unbedingte Geheimhaltung der Vorgänge gewährleistete, die sie verlangten. Mir ging auch auf, daß man die Gaskammern mit dem Bahnhof verbinden und eine Eisenbahnstrecke bauen müsse, welche die Transporte bis vor die Tür brächten, sowohl um Zeitverluste zu vermeiden, als auch um den Inhalt der Züge vor der Zivilbevölkerung von Auschwitz zu verbergen. So nahm allmählich in meinem Geiste der Gedanke einer riesigen industriellen Anlage mit berauschender Deutlichkeit Gestalt an, einer Anlage, die direkt von der Eisenbahn beliefert wurde und deren Oberbauten, die sich über ungeheuren unterirdischen Hallen erhoben, Kantinen für das Personal, Küchen, Schlafräume, Beutekammern sowie Sezier- und Arbeitssäle für die nationalsozialistischen Wissenschaftler umfassen würden.

    Achtundvierzig Stunden vor dem von Himmler festgesetzten Termin meldete ich dem Obersturmbannführer Wulfslang telefonisch, der für den Reichsführer bestimmte Plan würde am festgesetzten Tage fertig sein, und ich klapperte ihn von Anfang bis zu Ende auf der Schreibmaschine selbst herunter. Dazu brauchte ich viel Zeit. Um acht Uhr abends telefonierte ich Elsie, sie solle nicht auf mich warten, und telefonierte auch in die Kantine, mir eine kalte Mahlzeit ins Büro zu schicken. Ich aß hastig und setzte dann meine Arbeit fort. Um elf las ich die Blätter noch einmal sorgfältig durch, setzte meine Unterschrift darunter und steckte sie in einen Umschlag, den ich mit fünf Wachssiegeln verschloß. Ich steckte den Umschlag in die linke Innentasche meiner Bluse und bestellte meinen Wagen. Ich nahm auf dem hinteren Sitz Platz, der Chauffeur fuhr los, ich ließ meinen Kopf auf das Aktenstück sinken und schloß die Augen. Es wurde scharf gebremst, ich wachte auf, eine elektrische Lampe war auf mich gerichtet und das Auto von SS umringt. Wir befanden uns unter dem Eingangsturm des Lager . "Entschuldigen Sie, Sturmbannführer", sagte eine Stimme, "aber gewöhnlich schalten Sie die Deckenlampe ein."
    "Macht nichts, Hauptscharführer."
    "Das Innere des Wagens war dunkel, und ich habe sehen wollen, wer es war. Entschuldigen Sie nochmals, Sturmbannführer."
    "Schon gut. Man hat immer Grund, mißtrauisch zu sein."
    Ich winkte ab, der Hauptscharführer knallte die Hacken zusammen, das zweiflügelige Tor aus Stacheldraht öffnete sich knarrend, und das Auto fuhr los. Ich wußte, daß irgendwo auf der Landstraße noch eine SS-Streife war, und schaltete die Deckenlampe ein. Ich ließ den Chauffeur fünfhundert Meter vor der Villa halten und schickte ihn ins Lager zurück. Ich fürchtete, das Geräusch des Motors würde die Kinder wecken. Beim Gehen merkte ich, daß auf der Straße Löcher waren, und nahm mir vor, am nächsten Tag eine

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