Der Tod ist mein Beruf
Vergasung angeht, erlaube ich mir, Ihnen mitzuteilen, daß sie manchmal mehr als zehn Minuten beansprucht. Aus zwei Gründen: wegen der Luftfeuchtigkeit und der Feuchtigkeit der Halle."
"Feuchtigkeit der Halle?"
"Ich habe dem Sonderkommando Befehl gegeben, nach der Vergasung die Leichen mit Wasser abzusprengen. Sie sind mit Kot bedeckt. Wohlverstanden, das Wasser wird dann nach außen gespült, aber etwas bleibt immer zurück."
Ich nahm ein Stück Papier, schraubte meinen Füllhalter auf und sagte: "
Was schlagen Sie vor?"
"Den Zementboden abschüssig zu machen und Abflußrinnen anzubringen."
Ich überlegte einen Augenblick und sagte dann: "Ja, aber das genügt nicht. Man muß eine Heizung vorsehen und dazu einen kräftigen Ventilator. Der Ventilator wird gleichzeitig dazu dienen, das Gas zu vertreiben. Wie lange lüften Sie die Halle nach der Vergasung?"
"Gerade darüber, Sturmbannführer, wollte ich mit Ihnen sprechen. Sie haben zehn Minuten Lüftung vorgesehen. Aber das ist etwas knapp. Die Männer des Sonderkommandos, die die Halle betreten, um die Leichen herauszuholen, klagen über Kopfschmerzen und Übelkeit, und dadurch verringert sich die Leistung."
"Geben Sie ihnen vorläufig die nötige Zeit. Die Ventilatoren werden uns erlauben, sie abzukürzen."
Setzler hustete. "Noch ein anderer Punkt, Sturmbannführer. Die Kristalle werden direkt auf den Boden der Halle geworfen, und wenn die Patienten hinstürzen, fallen sie darauf, und da sie sehr zahlreich sind, hindern sie einen Teil des Gases daran, sich zu entwickeln."
Ich stand auf, ließ die Asche meiner Zigarette in den Aschenbecher fallen und sah zum Fenster hinaus. "Was schlagen Sie vor?"
"Im Augenblick nichts, Sturmbannführer."
Ich nahm es zur Kenntnis, ohne mich wieder zu setzen, dann winkte ich Setzler fortzufahren.
"Die Leute vom Sonderkommando finden es auch beschwerlich, die Leichen herauszuschaffen. Die sind infolge der Besprengung feucht, und die Männer können sie schlecht fassen."
Ich nahm es zur Kenntnis und sah Setzler an. Ich hatte den Eindruck, daß er mir noch etwas Wichtigeres zu berichten hatte und daß er diese Mitteilung hinausschob. Ich sagte ungeduldig: "Weiter!"
Setzler hustete und wandte seine Augen weg. "
Noch eine kleine Einzelheit. ..Sturmbannführer. Auf die Anzeige eines Kameraden hin habe ich einen Mann des Sonderkommandos durchsuchen lassen. Man hat bei ihm etwa zwanzig Trauringe gefunden, die er den Leichen abgestreift hatte."
"Was wollte er denn damit machen?"
"Er hat gesagt, er könnte diese Arbeit nicht ohne Alkohol verrichten. Er wollte die Ringe gegen Schnaps eintauschen."
"Bei wem?"
"Bei SS-Männern. Ich habe die SS-Männer durchsuchen lassen, habe aber nichts gefunden. Was den Juden angeht, so ist er selbstverständlich erschossen worden."
Ich dachte darüber nach und sagte: "Künftig lassen Sie alle Trauringe nach der Vergasung einsammeln. Es versteht sich von selbst, daß die Wertsachen der Patienten Eigentum des Reiches sind."
Es entstand ein Schweigen, und ich sah Setzler an. Sein kahler Schädel wurde langsam rot, und er blickte weg. Ich begann hin und her zu gehen und sagte: "Ist das alles?"
"Nein“ Sturmbannführer", sagte Setzler. Er hustete. Ich setzte meinen Spaziergang fort, ohne ihn anzusehen. Ein paar Sekunden verstrichen, sein Stuhl knarrte, er hustete von neuern, und ich sagte: "Nun?"
Und plötzlich packte mich eine Unruhe. Ich hatte Setzler nie scharf angefaßt. vor mir konnte er also keine Angst haben. Ich sah ihn von der Seite an. Er streckte den Hals vor und sagte in einem Atemzug: "Was die Gesamtleistung angeht, Sturmbannführer, bedaure ich sagen zu müssen, daß sie nicht höher ist als die von Treblinka."
Ich blieb jäh stehen und starrte ihn an. Er strich sich mit seiner langen mageren Hand über den Schädel und fuhr fort: "
Wohlgemerkt, wir haben große Fortschritte gegenüber Treblinka gemacht. Wir haben praktisch die Revolten ausgeschlossen, die Vergasung ist sicher und schnell, und mit unsern beiden kleinen Hallen können wir von jetzt an in vierundzwanzig Stunden fünftausend Einheiten vergasen."
Ich sagte barsch: "Na also?"
"Aber wir können nicht mehr als fünfhundert begraben."
"
Tatsächlich", fuhr er fort, "Töten ist weiter nichts. Begraben braucht Zeit."
Ich spürte, daß meine Hände zitterten. Ich verbarg sie hinter dem Rücken und sagte: "Verdoppeln Sie das Sonderkommando!"
"Entschuldigen Sie, Sturmbannführer, das würde nichts nützen. Man
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