Der Tod ist mein Beruf
bewies die Wirksamkeit dieser Maßnahmen. Die Häftlinge zeigten kein Widerstreben, die Halle zu betreten, und ich konnte infolgedessen die Verzögerungen und Verdrießlichkeiten, die durch Revolten verursacht werden, als ausgeschaltet betrachten. Es blieb noch das Problem der Vergasung. Von Anfang an hatte ich die Verwendung der LKWs als Notbehelf angesehen, und während der zwei folgenden Wochen suchte ich fieberhaft nach einem schnelleren und sichereren Verfahren. Ich nahm einen Gedanken wieder auf, den ich Schmolde vorgeschlagen hatte, und ließ durch Vermittlung von Wulfslang beim Reichsführer anfragen, ob es nicht möglich wäre, mir eine gewisse Menge erstickenden Gases zu bewilligen. Man antwortete mir, die Wehrmacht bewahre Vorräte davon auf (um mit Repressalien vorgehen zu können, im Fall, daß der Feind zuerst davon Gebrauch mache), daß aber die SS keine Belieferung dieser Art verlangen könne, ohne die stets vorhandene, mehr oder weniger böswillige Neugier der Wehrmacht gegenüber der Tätigkeit der SS zu wecken. Ich verzweifelte fast, eine Lösung dieser beträchtlichen Schwierigkeit zu finden, als ein von der Vorsehung gewollter Zufall sie mir lieferte. Eine Woche vor dem vom Reichsführer für die Einreichung des Plans festgesetzten Termin wurde ich offiziell vom Besuch des Inspekteurs der Lager, Gruppenführer Görtz, benachrichtigt. Daher ließ ich eine große Reinigung aller Räumlichkeiten des KZ vornehmen, und am Vortage der Inspektion besichtigte ich sie selbst mit peinlichster Genauigkeit. Dabei geriet ich in einen kleinen Raum, wo ein Haufen kleiner zylindrischer Büchsen aufgestapelt war, auf denen "Giftgas"
stand, und darunter Cyclon B". Es war der Überrest des Materials,das die Firma Weerle & Frischler ein Jahr vorher geliefert hatte, um die Kasernen der polnischen Artilleristen von Ungeziefer zu befreien. Diese Behälter wogen ein Kilo, sie waren hermetisch verschlossen, und wenn man sie öffnete, zeigten sie, wie ich mich erinnerte, grüne Kristalle, die beim Zusammentreffen mit dem Sauerstoff der Luft Gas entwickelten. Ich erinnerte mich auch, daß Weerle & Frischler uns zwei Techniker gesandt, daß diese Gasmasken angelegt und alle möglichen Vorsichtsmaßregeln getroffen hatten, ehe sie die Behälter öffneten, und ich schloß daraus, daß dieses Gas für den Menschen ebenso gefährlich sei wie für Ungeziefer . Ich verfügte unverzüglich, seine Eigenschaften auszuprobieren. Ich ließ in die Mauer der zwei provisorischen Anlagen von Birkenau ein Loch von entsprechendem Durchmesser machen und außen mit einer Klappe versehen. Untaugliche, an Zahl zweihundert, wurden in dem Raum versammelt, und ich ließ den Inhalt einer Büchse Cyclon B durch diese Öffnung hineinschütten. Sofort ging darin ein Geheul los, und die Tür wie die Mauern ertönten von heftigen Schlägen. Dann wurden die Schreie schwächer, und nach fünf Minuten herrschte völlige Stille. Ich ließ an die SS-Männer Gasmasken verteilen und gab Befehl, alle Öffnungen aufzumachen, um Durchzug zu schaffen. Ich wartete noch einige Minuten und betrat als erster die Halle. Der Tod hatte sein Werk getan. Das Ergebnis meines Versuchs überstieg meine Hoffnung. Eine Kilodose Cyclon B hatte genügt, um in zehn Minuten zweihundert Untaugliche zu liquidieren. Der Zeitgewinn war beträchtlich, da man mit dem System von Treblinka eine halbe Stunde brauchte, wenn nicht mehr, um dasselbe Ergebnis zu erzielen. Außerdem wurde man nicht durch die Zahl der LKWs, durch Pannen oder Mangel an Treibstoff eingeschränkt. Endlich war das Verfahren sparsam, da das Kilo Giftgas -wie ich sofort feststellte -nur drei Mark fünfzig kostete. Mir wurde klar, daß ich die Lösung des Problems gefunden hatte. Gleichzeitig erkannte ich die wichtige Folge, die sich daraus ergab. In der Tat, es verstand sich von selbst, daß das System der kleinen Räume zu je zweihundert Personen aufgegeben werden mußte, das ich Treblinka entlehnt hatte. Das verhältnismäßig geringe Fassungsvermögen dieser Kammern rechtfertigte sich nur durch die geringe Menge Gas, die ein Kraftwagenmotor erzeugen konnte, denn es stellten sich tatsächlich bloß Nachteile heraus, wenn man eine Anlieferung von zweitausend Untauglichen in kleinen Gruppen zu zweihundert Einheiten aufteilen und zu den verschiedenen Hallen in Marsch setzen mußte. Das Verfahren nahm Zeit in Anspruch, erforderte einen komplizierten Ordnungsdienst und stellte in Fällen gleichzeitiger Meutereien sogar
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