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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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vergasen."
    Er setzte hinzu: "Selbstverständlich wird man mir niemals neue Wagen liefern."
    Ich erwiderte nach einer Weile: "Man müßte ein sichereres Mittel haben, zum Beispiel ein erstickendes Gas wie 1917."
    "Ich weiß nicht, ob da noch welches hergestellt wird", sagte Schmolde. "In diesem Krieg hat man noch keins angewendet."
    Er leerte sein Glas in einem Zug und ging zum Tisch, um es von neuem zu füllen. "Tatsächlich ist das größte Problem nicht das Vergasen, sondern das Beerdigen. Ich kann nicht schneller vergasen, als ich beerdige. Und beerdigen nimmt Zeit in Anspruch."
    Er trank einen Schluck und fuhr fort: "Meine Leistung in vierundzwanzig Stunden hat nie fünfhundert Einheiten erreicht."
    Er schüttelte den Kopf. "Wohlgemerkt, der Reichsführer hat allen Grund, dieses Ergebnis mittelmäßig zu finden. Andererseits ist es eine Tatsache, daß ich nie neue Wagen habe erhalten können."
    Er blickte im Zimmer umher und sagte gleichgültig: "Es gibt auch Revolten. Sie verstehen, die wissen, was sie erwartet. Manchmal weigern sie sich ganz einfach, die Halle zu betreten. Manchmal stürzen sie sich sogar auf unsere Männer. Selbstverständlich werden wir damit fertig. Aber das kostet wieder Zeit."

    Ein Schweigen entstand, und dann sagte ich: "
    Wenn sie revoltieren, ist meiner Meinung nach die psychologische Vorbereitung nicht gut. Sie sagen ihnen: 'Eure Kleider werden entlaust, und während dieser Zeit wartet ihr in dieser Halle.' Aber in Wirklichkeit wissen sie sehr wohl, daß dies nirgends so vor sich geht. Normalerweise gibt man jemandem, wenn man seine Sachen entlaust, eine Dusche. Man muß sich an ihre Stelle versetzen. Sie wissen sehr gut, daß man sie entlauste Kleidungsstücke nicht wieder anziehen lassen wird, wenn sie selbst noch voller Läuse sind. Das ist sinnlos. Sogar ein zehnjähriges Kind würde verstehen, daß die Sache verdächtig ist."
    "Gewiß, Sturmbannführer", sagte Schmolde, "das ist ein interessanter Punkt. Aber das Hauptproblem. .."
    Er leerte sein Glas in einem Zug, stellte es auf den Tisch zurück und sagte: "Aber das Hauptproblem ist das der Leichen."
    Er warf mir einen bezeichnenden Blick zu und sagte: "Sie werden es sehen."
    Ich sagte trocken: "Ich verstehe den Sinn Ihrer Bemerkung nicht. Ich bin nur zur Information hier."
    Schmolde wandte den Blick weg und sagte in neutralem Ton: "Gewiß, Sturmbannführer. So verstehe ich es auch. Ich habe mich schlecht ausgedrückt."
    Darauf entstand ein langes Schweigen, und plötzlich sagte Setzler: "Könnte man nicht wenigstens die Frauen verschonen?"
    Schmolde schüttelte den Kopf. "Es ist selbstverständlich, daß man besonders sie vernichten muß. Wie kann man eine Tierart unterdrücken, wenn man die Weibchen erhält?"
    "Richtig, richtig!"
    sagte Setzler. Dann setzte er leise und kaum verständlich hinzu: "Trotzdem ist es entsetzlich."
    Ich blickte ihn an. Sein großer gekrümmter Körper war wie zerbrochen. Seine Zigarette verzehrte sich von selbst in seiner Rechten. Schmolde trat mit steifen Schritten an den Tisch und goß sich ein Glas Wein ein.
    Ich verbrachte die folgende Woche in schrecklicher Angst. Die Leistung von Treblinka betrug fünfhundert Einheiten in vierundzwanzig Stunden, die von Auschwitz sollte dem Programm nach dreitausend Einheiten betragen; in knapp vier Wochen sollte ich dem Reichsführer einen Gesamtplan in dieser Frage vorlegen, und ich hatte noch keine Vorstellung davon. Ich betrachtete das Problem vergeblich von allen Seiten, es gelang mir nicht einmal, die Lösung auch nur von ferne zu sehen. Zwanzigmal am Tage war mir die Kehle angesichts der Gewißheit eines

    Mißerfolgs wie zugeschnürt, und ich wiederholte mit Entsetzen, daß ich gleich zu Anfang in der Erfüllung meiner Pflicht kläglich scheitern würde. In der Tat sah ich sehr gut ein, daß ich eine sechsmal höhere Leistung erreichen müßte als in Treblinka, aber ich sah keinerlei Möglichkeit, sie zu erreichen. Es war leicht, sechsmal soviel Räume zu errichten wie in Treblinka, aber das hätte nichts genützt. Man hätte auch sechsmal soviel LKWs haben müssen, und in dieser Beziehung gab ich mich keiner Täuschung hin. Wenn Schmolde trotz all seiner Bitten keine zusätzliche Lieferung erhalten hatte, verstand es sich von selbst, daß ich sie ebensowenig erhalten würde. Ich schloß mich in mein Büro ein und verbrachte ganze Nachmittage über dem Versuch, mich zu konzentrieren. Es gelang mir nicht; eine unwiderstehliche Lust überkam mich,

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