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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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aufzustehen und aus dem Büro hinauszulaufen, dessen vier Wände mich erstickten; ich zwang mich, mich wieder hinzusetzen; mein Geist war ein völlig unbeschriebenes Blatt, und ich empfand ein tiefes Gefühl der Scham und Impotenz bei dem Gedanken, daß ich der Aufgabe nicht gewachsen war, die der Reichsführer mir gestellt hatte. Endlich kam mir eines Nachmittags der Gedanke, daß ich nie zu etwas käme, wenn ich fortführe, mich im luftleeren Raum zu bewegen, ohne daß meine Gedanken zu einem greifbaren Resultat führten, und ich entschloß mich, in meinem eigenen Lager die Einrichtung von Treblinka nachzuahmen, als eine Art Versuchsstation, die mir erlauben würde, die neuen Methoden, die ich suchte, auszubilden. Sobald das Wort Versuchsstation in meinem Geiste aufsprang, war es mit einem Schlage, als ob ein Schleier zerriß, sich die Furcht vor dem Mißerfolg zerteilte und ein Gefühl der Kraft, der Wichtigkeit und Nützlichkeit mich wie ein Pfeil durchdrang. Ich stand auf, nahm meine Mütze, verließ mein Büro, stürmte in das Setzlers und sagte rasch: "Kommen Sie, Setzler, ich brauche Sie."
    Ohne eine Antwort abzuwarten, ging ich hinaus, sprang die Stufen der Terrasse hinunter, stieg ins Auto, der Chauffeur setzte sich schnell ans Lenkrad, ich sagte: "
    Warten Sie!"
    Setzler erschien, er setzte sich neben mich, und ich sagte: "Nach Birkenau, zu den enteigneten Gehöften."
    -"Sturmbannführer", sagte der Chauffeur, "dort ist ein richtiger Sumpf."
    Ich erwiderte schroff: "Tun Sie, was man Ihnen sagt."
    Er fuhr los, ich beugte mich zu ihm vor und rief: "Schneller!"
    und das Auto raste. Ich hatte das Gefühl, mit der Schnelligkeit und Wirkungskraft einer Maschine zu handeln. Zweihundert Meter vor den Gehöften versank mitten im Walde das Auto im Schlamm. Ich schrieb einen Zettel für den diensthabenden Lagerführer und befahl dem Chauffeur, ihn ins Lager zu bringen. Er eilte im Laufschritt davon, ich versuchte, die Gehöfte, deren Schieferdächer ich andeutungsweise zwischen den Bäumen erkennen konnte, zu Fuß zu erreichen. Nach ein paar Metern mußte ich es aufgeben. Meine Stiefel sanken bis an die Waden ein. Zwanzig Minuten später trafen zwei LKWs mit Häftlingen und SS-Männern ein, Kommandorufe ertönten, die Häftlinge sprangen ab und fingen an, Zweige abzuschneiden und einen Faschinenweg zu den Gehöften hin zu bauen. Mein Wagen wurde frei gemacht, und der Chauffeur kehrte ins Lager zurück, um zwei weitere Wagen zu holen. Ich gab Setzler den Befehl, die Arbeit zu beschleunigen. Die SS-Männer traten in Tätigkeit, man hörte dumpfe Schläge, und die Häftlinge begannen wie die Verrückten zu arbeiten. Die Nacht brach herein, als der Faschinenweg bis an die Gehöfte herangeführt war. Setzler beschäftigte sich damit, Scheinwerfer zu installieren, die an den nächsten Mast der elektrischen Leitung angeschlossen wurden. Ich durchsuchte sorgfältig die Gehöfte. Als ich herauskam, ließ ich Setzler rufen; ein Scharführer rannte los, und nach zwei Minuten erschien Setzler. Ich zeigte ihm die Gehöfte und erklärte ihm die Arbeit. Als ich damit fertig war, blickte ich ihn an und sagte: "Binnen drei Tagen."
    Er starrte mich an, öffnete den Mund, aber ich wiederholte betont: "Binnen drei Tagen!"
    Ich verließ die Baustelle nur zum Essen und Schlafen, Setzler löste mich dabei ab, wir trieben die Arbeit mit unerhörter Hast voran, und am Abend des dritten Tages waren zwei kleine Hallen für je zweihundert Personen fertig. Um die Wahrheit zu sagen, ich hatte noch nichts Bestimmtes beschlossen. Aber die Durchführung meiner Aufgabe hatte einen Anfang genommen, und ich verfügte jetzt über eine Versuchsstation, dank der ich täglich meine Gedanken auf die Probe stellen konnte. Ich brachte unverzüglich eine beachtliche Verbesserung gegenüber dem System von Treblinka an. Ich ließ an beiden Gebäuden die Inschrift "Desinfektionsraum"
    und im Innern zum Schein Brausen und Rohrleitungen anbringen, um bei den Häftlingen den Eindruck zu erwecken, man führe sie zum Waschen dahin. Immer in demselben Sinne gab ich dem diensttuenden Untersturmführer die Anweisung, er solle den Häftlingen ankündigen, daß sie nach der Dusche heißen Kaffee erhielten. Außerdem solle er mit ihnen in den "Desinfektionsraum"
    und unter Scherzen (indem er sich entschuldigte, ihnen keine Seife liefern zu können) von Gruppe zu Gruppe gehen, bis alle darin wären. Ich setzte unverzüglich die Einrichtung in Betrieb, und die Erfahrung

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