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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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gute Kraft«, sagte Sara. »Auch wenn sie einen etwas begrenzten Wortschatz hat.«
    Morse sah sie ein wenig spöttisch an.
    »Wegen vertikal und horizontal, meinen Sie? Das finde ich nicht weiter schlimm. Ich habe dafür meine Schwierigkeiten mit Osten und Westen.«
    »Viele Leute haben Probleme mit rechts und links …«, setzte Lewis an, aber Morse war schon bei seiner nächsten Frage:
    »Können Sie noch feststellen, wer am letzten Samstag hier war?«
    »Ja, natürlich. Moment bitte.«
    Wenig später war sie mit einem Stapel Anmeldekarten wieder da. Morse begann sie durchzublättern. Dann hielt er unvermittelt inne und spürte das vertraute Kribbeln zwischen den Schulterblättern.
    Er reichte Lewis die Karte.
    Der las den Namen und pfiff leise und sehr überrascht durch die Zähne.
    Morse wandte sich wieder an Sara. »Könnten Sie uns eine Kopie der Rechnung für Zimmer fünfzehn machen?«
    »Sie hatten recht«, flüsterte Lewis aufgeregt. »Sie haben von Anfang an gesagt, daß es ›DC‹ war.«
    Sara legte Morse die Rechnung vor.
    »Einzelzimmer für eine Nacht. Mit Kreditkarte bezahlt.«
    Morse überflog die einzelnen Posten.
    »Kein Abendessen?«
    »Nein.«
    »Und kein Frühstück?«
    »Nein.«
    »Kann ich von hier aus telefonieren?«
    »Aber natürlich. Soll ich Sie allein lassen?«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte Morse.
     
    Zwanzig Minuten später verließen Morse und Lewis das Büro. Als sie gerade hinter dem Empfangstresen entlanggingen, kam ein Gast von der Eingangshalle her auf den Empfang zu und verlangte den Schlüssel für Zimmer 36.
    Dann sah er Morse.
    »Großer Gott, was machen Sie denn hier?« fragte Julian Storrs.
    »Dasselbe wollte ich Sie auch fragen«, antwortete Morse mit einem seltsam siegessicheren Lächeln.
     

63
     
    »Warum haben Sie 1893 jene Arbeiter ermordet?«
    »Es war nicht 1893. Es war 1892.«
    (Zitiert nach H. H. Asquith)
     
    »Möchten Sie auch mit meiner Frau sprechen? Ich habe sie zum Shopping in der Stadt abgesetzt, aber sie muß bald hier sein.«
    »Es wäre uns lieber, wenn wir das Gespräch nur mit Ihnen führen könnten, Sir.«
    »Lassen Sie bloß das verdammte ›Sir‹ weg!«
    Sie saßen zu dritt – Storrs, Morse, Lewis – in dem schönen, geräumigen Zimmer 36 mit Blick auf den Swimmingpool und den durchweichten Crocketplatz.
    »Worum geht es überhaupt?« fragte Storrs leicht gereizt. »Jetzt legen Sie endlich los, Mann!«
    Morse legte los, indem er zunächst den Hintergrund zu den beiden zur Zeit von ihm bearbeiteten Mordfällen umriß.
    Storrs hatte ein Verhältnis mit Rachel James gehabt – und Rachel James war ermordet worden.
    Storrs hatte einen Erpresserbrief von Owens bekommen – und Owens war ermordet worden.
    Für die Erpressung gab es einen dreifachen Anlaß: Storrs’ außereheliche Beziehung zu Ms. James; die von ihm unredlicherweise verschwiegene gesundheitliche Prognose; und die Tatsache, daß seine Frau früher Stripteasetänzerin und Callgirl in Soho gewesen war. Es wäre deshalb recht verwunderlich gewesen, wenn Storrs nicht auf der Liste der Verdächtigen ganz weit oben gestanden hätte.
    Was den ersten Mord betraf, hatten sowohl Storrs als auch seine Frau ein Alibi: Sie waren miteinander im Bett gewesen. Wie widerlegt man so ein Alibi?
    Auch für den zweiten Mord hatten beide Storrs ein Alibi. Diesmal befanden sie sich nicht nur gemeinsam in einem Schlafzimmer, sondern auch etwa achtzig Meilen vom Ort des Geschehens entfernt, in ebenjenem Raum, in dem sie jetzt saßen. Doch Alibis lassen sich fälschen, und dann kann man sie auch widerlegen. Manchmal jedenfalls.
    Storrs hörte schweigend zu.
    Die Mittel? Die ballistische Untersuchung hatte ergeben, daß beide Morde mit derselben Waffe begangen worden waren, einer »Howdah«-Pistole, die gern von Offizieren in den Streitkräften benutzt wird, besonders in Indien, wo Storrs vor seiner Rückkehr nach Oxford Dienst getan hatte. Eine solche Pistole hatte Storrs erworben und besaß sie vermutlich noch, falls er sich ihrer nicht vor kurzer Zeit – vor sehr kurzer Zeit – entledigt hatte.
    Der Hauptanlaß für die tragische Folge von Ereignissen – ihr Auslöser gewissermaßen – war Storrs’ obsessives und maßloses Verlangen gewesen, als krönenden Abschluß für die ihm noch verbleibende Lebensspanne das Amt des Master von Lonsdale und damit verbunden die Würde eines Knight zu erringen.
    Ein Motiv also? Ja.
    Mittel? Ja.
    Wie aber stand es mit der Gelegenheit?
    Für den ersten Mord

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