Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
noch einmal zu verlängern, und eine Mehrheit sprach sich dafür aus, den »Visitator« einzuschalten, jenen Würdenträger mit dem so eindrucksvollen Titel (meist ein Erzbischof), der das Recht und die Pflicht hat, Angelegenheiten der Colleges zu prüfen und darüber zu berichten und bei Problemen, wie sie omnium consensu jetzt im Lonsdale aufgetreten waren, beratend einzugreifen. Es war nun so gut wie sicher, daß man einen Kandidaten von außen würde holen müssen. Sir Clixby nahm wie üblich die Entwicklung mit philosophischer Gelassenheit hin … und die Rasenflächen des College sahen gepflegt aus wie eh und je. Das Leben ging weiter, auch wenn Denis Cornford ein gebrochener Mann war und Julian Storrs auf neue Entwicklungen – und auf den Tod – wartete.
     
    Adele Beatrice Cecil hatte vor kurzem erfahren, daß die Zahl der Mitglieder bei den Young Conservatives von 500000 vor zwanzig Jahren auf 5000 im Jahr 1996 gesunken war; außerdem erwog sie schon seit einigen Wochen eine Änderung in ihrem Leben. Morse mag in dieser Beziehung – aber nur in dieser Beziehung – recht gehabt haben, dachte sie: daß die Partei den Bach runtergeht, liegt nicht so sehr an ihrer Politik als an der personellen Besetzung. Ja, es wurde wohl Zeit für einen Kurswechsel. Am Mittwoch, dem 13. März, schickte sie der Zentrale der Konservativen ihre Kündigung. Sie tat dies mit großem Bedauern, aber in dem beruhigenden Bewußtsein, daß sie nie arbeitslos sein würde. Daß sie einen guten Stil hatte, war nicht nur ihr selbst bekannt, sondern auch Morse und ihrem Verlag Erotica Press, der kürzlich eine Fortsetzung zu Topless in Torremolinos in Auftrag gegeben hatte (»… aber bitte genauso sexy …«) Sie hatte dafür schon eine hübsche kleine Idee im Kopf, die sich fast so prächtig entwickelte wie der Goldlack, den sie im Herbst gepflanzt hatte. Hauptpersonen waren ein älterer Mann – ein Mann mit weißen Haaren vielleicht, der nicht ganz so alt war, wie er aussah –, und eine bedeutend jüngere Frau, eine Frau in ihrem Alter vielleicht. Altersunterschiede bei heterosexuellen Paaren, das wußte sie von ihrem Verleger, beflügeln garantiert die Phantasie der Leser.
     
    Ein Mann hingegen war das ganze Frühjahr hindurch offiziell als arbeitslos gemeldet und mehr oder weniger entschlossen, zeitlich unbegrenzt in diesem Zustand zu verharren, auch wenn ihn das Gerücht, das soziale Netz werde in Zukunft etwas lockerer geknüpft sein, ein wenig beunruhigte. Im Augenblick allerdings schien er, da er ständig in Pubs oder Wettbüros anzutreffen war, finanziell noch recht gut gestellt zu sein. Die Leute vom Arbeitsamt würden sich schwertun, seine Behauptung zu widerlegen, mit dem, was er in einem der ihm angebotenen Jobs verdienen könne, sei es ihm unmöglich, seinen gewohnten Lebensstil aufrechtzuerhalten, schließlich sei er ein anerkannter Künstler. Und falls jemand Zweifel an dieser Behauptung anmelden sollte – es gab da jemanden in North Oxford, der immer gern bereit war, ihm eine Referenz zu schreiben …
    Auf dem Kaminsims in seinem Schlafzimmer tickte die kleine Standuhr und ging auf die Minute genau.
     
    Unmittelbar nach Mrs. Storrs’ Verhaftung hatte Sergeant Lewis alle Hände voll zu tun, konnte sich aber zum Glück auf ein Team tüchtiger Constables stützen. So viele Erkundigungen waren noch einzuholen, so viele Protokolle aufzunehmen und zu tippen, so viele Orte aufzusuchen oder erneut aufzusuchen: Soho, Bloxham Drive, das Zeitungsviertel, die Harvey Clinic, Polstead Road, Lonsdale College, Woodpecker Way, das Randolph, das Royal Crescent Hotel … Er hatte sich am Mittwoch zum Mittagessen mit Morse getroffen und geduldig zugehört, wie der ziemlich selbstgefällige Chief Inspector sich entscheidende Momente des Falles in Erinnerung gerufen hatte: den Augenblick zum Beispiel, als er die Verbindung zwischen dem Foto der jungen Stripperin in Soho und dem der Frau des Lonsdale-Professors hergestellt hatte; oder als die langbeinige Sprechstundenhilfe aus der Banbury Road sich mühelos eben jener Professorenfrau in der Gruppe der Revuegirls im Windmill zugesellt hatte. Lewis’ entscheidende Beiträge zu diesen dramatischen Entwicklungen aber wurden bei dieser Gelegenheit nicht erwähnt, geschweige denn gewürdigt.
    Am Donnerstag abend ging Morse zum Cotswold House , wo er reichlich dem irischen Whiskey (mit ›e‹, wie der Wirt zu betonen pflegte) zugesprochen hatte, zu Fuß zurück zu seiner Wohnung, als neben

Weitere Kostenlose Bücher