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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Fotokopien lagen.
    »Und noch eins. Er ist offenbar bei den Frauen dort – besonders bei den jüngeren – sehr beliebt.«
    »Trotz Pferdeschwanz?«
    »Gerade deshalb.«
    »Ist das Ihr Ernst?«
    »Willkommen im zwanzigsten Jahrhundert, Sir!«
    »Punkte, an denen wir einhaken könnten?«
    »Möglich.«
    »Ich höre, Lewis!«
    »Da wäre zunächst der Personalchef, der Owens am Montag gesehen hat. Ich rede mit ihm, sobald er aus dem Urlaub kommt, oder auch schon früher, wenn Sie wollen.«
    Morse sah skeptisch drein. »Hm … Falls das eigentliche Opfer Owens und nicht Rachel James war, hilft uns Owens’ Alibi nicht weiter. Aber Sie haben natürlich recht, wir halten uns am besten an den amtlichen Ablauf. Ohne Regeln und Vorschriften geht es nun mal nicht.«
    Lewis beäugte seinen Vorgesetzten zweifelnd und vertiefte sich in den Aktenordner, den Morse ihm über den Schreibtisch reichte.
    Morse selbst schlug den Observer auf, suchte sich das Kreuzworträtsel von Azed (für Morse ein Kasparow der Gilde) und begann mit 1 waagerecht: »Zwingt Dickhäutern seinen Willen auf (5).« Er schrieb MAHUT , das indische Wort für Elefantentreiber, in die Kästchen, dann aber legte er das Rätsel beiseite und beschloß, diese allwöchentliche Rätselfreude auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen. Wenn die übrigen Fragen nicht anspruchsvoller waren, wäre er sonst womöglich mit dem Rätsel fertig gewesen, ehe Lewis den Inhalt der Akte verinnerlicht hatte.
     
    »Wie kommen Sie an dieses Material?« fragte der Sergeant schließlich.
    »Nie sollst du mich befragen …«
    »Der Mann ist ein Erpresser.«
    Morse nickte. »Wir haben kein offenkundiges Motiv für den Mord an Rachel gefunden, aber …«
    »… Dutzende für den Mord an ihm.«
    » Neun, Lewis, wenn wir genau sein wollen.«
    Morse schlug die Akte auf und sah sich noch einmal den Inhalt an. Im Gegensatz zu dem Bild des abstoßend fettleibigen Kindergrapschers waren die beiden Fotos der langbeinigen blonden Stripperin nicht im eigentlichen Sinne pornographisch. Zumindest das Aktfoto wirkte auf Morse seltsam unerotisch. Das in dem langen Kleid dagegen … Der Vorgang des Aufknöpfens hatte Morse immer mehr gereizt als der Zustand des Ausgezogenseins, das nahezu Unbekleidete mehr als rundum nackte Haut. Es hatte etwas mit Plato und dessen Vorstellung von Idee und Erscheinung zu tun; als angehender Altphilologe hatte Morse in seiner Jugend viele Stunden in Gesellschaft dieses Philosophen verbracht.
    »Ziemlich viel Beinarbeit, Sir …«
    »Allerdings. Tolle Beine, oder?«
    »Ich meinte eigentlich unsere Beine. Die Laufereien, Ermittlungen …«
    »Ja, ohne Hilfe werden Sie das kaum schaffen.«
    »Sergeant Dixon und ein oder zwei von seinen Leuten könnte ich schon gebrauchen.«
    »Kauft Dixon immer noch die Kantine leer, wenn sie gefüllte Doughnuts haben?«
    Lewis nickte. »Und seine Lieblingsschildkröte …«
    »… ist ihm nach wie vor ein, zwei Schritte voraus. Ich weiß.«
     
    Eine halbe Stunde, genaugenommen bis kurz nach zwölf, sprachen die beiden über das explosive Material in dem Aktenordner.
    »Kaffee, Sir?«
    »Nicht für mich. Gehen wir auf einen Sprung in das Kings Arms in Summertown?«
    »Nicht für mich«, echote Lewis. »Das kann ich mir von der Zeit her nicht leisten.«
    »Wie Sie wollen.« Morse stand auf.
    »Finden Sie es richtig, daß Sie so viel ausgehen, Sir? Zum Trinken, meine ich?« Lewis holte tief Atem und machte sich auf einen Sturm der Stärke zehn gefaßt. »Es wird ja immer schlimmer statt besser mit Ihnen.«
    Morse setzte sich.
    »Ich will Ihnen mal was sagen, Lewis. Was Sie von mir als Chef, als Kollege, als Kriminalbeamter, meinetwegen auch als Freund denken, ist mir durchaus wichtig. Aber was Sie von mir als Trinker denken, ist mir scheißegal. Alles klar?«
    »Eben nicht«, sagte Lewis ruhig. »Als Polizist, wo es um die Klärung von Mordfällen geht …«
    »Besser ›wenn‹, Lewis. Und ›soweit‹ …«
    »Spielt doch keine Rolle.« Lewis’ Stimme war schärfer geworden. »… tun Sie Ihre Arbeit, da hab ich keine Sorge, Sie wühlen und machen, bis Sie wissen, was los ist. Und wenn der Polizeipräsident sagen würde, daß Sie Ihre Arbeit nicht ordentlich tun, würde ich heute noch meine Kündigung einreichen. Nur sagt er so was nicht. Aber es könnte sein, daß er mal das sagt, was ich von anderen jetzt schon höre: daß Sie sich kaputtmachen. Nicht die Polizei, nicht die Abteilung, nicht die Mordkommission, sondern sich

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