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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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darüber, ob die Dauer seiner Amtszeit das Ergebnis gewisser Unklarheiten in der Formulierung der Satzung oder der Unfähigkeit seiner humanistischen Kollegen ist, von denen offenbar keiner als möglicher Nachfolger nominiert wurde, lehnte der derzeitige Master ab.
     
    Der zweite Ausschnitt war ein von Geoffrey Owens verfaßter Artikel aus der Oxford Mail vom November 1995. Zu dem Text gehörte ein Foto mit der Unterschrift: »Julian Storrs und seine Frau Angela bei der Eröffnung einer Ausstellung polynesischer Kunst im Pitt Rivers Museum«.
     
    - Die verschmierte Fotokopie eines maschinegeschriebenen ärztlichen Berichtes mit dem Vermerk »Streng persönlich und vertraulich«, geschrieben auf dem Briefpapier einer Privatklinik in der Banbury Road:
     
     
    Betr. J. C. Storrs Diagnose
    Inoperabler Leberkrebs bestätigt.
    Siehe auch Brief Dr. O. V. Maxim (Churchill)
    Prognose Sieben/acht Monate oder weniger.
    Möglicherweise (??) ein Jahr. Keine s falls länger .
    Zum Patienten Ehrlichkeit in diesem Fall am b e sten.
    Starke Persönlichkeit.
    Nächster Termin s. Buch, aber so bald wie möglich
    RHT
     
     
    An diesem Blatt hing eine Todesanzeige aus einer überregionalen Tageszeitung – möglicherweise dem Independent –, der man entnehmen konnte, daß der angesehene Krebsspezialist Robert H. Turnbull tödlich verunglückt war.
     
    - Zum Schluß noch drei mit einer Büroklammer zusammengehaltene Fotos:
    1. Ein Zeitungsfoto eines Striplokals. Rechts und links von dem schmalen Eingang waren Aufnahmen der Darstellerinnen angebracht, die allerdings nicht im einzelnen zu erkennen waren. Um so besser erkannte man die einladende Unterschrift: SCHÄRFSTE SEX-SHOW IN SOHO.
    2. Ein schwarzweißes Ganzbild einer ziemlich großen Wasserstoffblondine in enganliegendem dunklem Kleid, dessen hüfthoher Schlitz an der linken Seite ein Stück wohlgeformtes Bein erkennen ließ. Alles an ihr wirkte anziehend und natürlich – vielleicht mit Ausnahme des Lächelns.
    3. Ein Farbfoto derselben Frau, die – nur mit Stöckelschuhen bekleidet – auf einem Barhocker saß und deren seltsam starre Brüste den Gedanken nahelegten, das Lächeln auf dem Schwarzweißfoto sei möglicherweise nicht das einzige an ihr, was nicht ganz natürlich war. Die jetzt in ihrer ganzen langen Pracht sichtbaren Beine waren die einer jungen Tänzerin, die Beine einer Cyd Charisse oder Betty Grable, und bedeutend reizvoller als die im Naturist Jou r nal …
     
    Morse klappte die Akte zu. Er wußte, was er gelesen hatte: Merkblätter für Erpressung und möglicherweise für Mord.

29
     
    Sonntag, 25. Februar
     
    Ein Freund, mit dem er später den Kontakt verlor, gab ihm den Rat, im Abstinenzler-Hotel zu Wilberforce abzusteigen.
    (Geoffrey Madan, Notebooks )
     
    Ich hasse Menschen, die unmäßig das Bier verdammen – und das Mäßigkeit nennen.
    (G. K. Chesterton)
     
    Sokrates erklärte am letzten Tag seines Lebens, der Tod sei, sofern er nur ein langer, traumloser Schlaf sei, ein Segen, den man sich nur innigst wünschen könne. Morse wäre am Morgen des 25. Februar zwar nicht bereit gewesen, so weit zu gehen wie Sokrates, war aber für seinen langen, traumlosen Schlaf zutiefst dankbar, denn üblicherweise verliefen seine Nächte – durch häufige Toilettengänge, Wassertrinken, die Einnahme von Nurofen, Paracetamol und Magentabletten und schließlich (nachdem er sich wieder einmal von seinem zerwühlten Lager erhoben hatte) einem Glas Alka-Seltzer – recht unruhig.
    Der umfangreiche Observer steckte schon im Briefschlitz, als er sich rasch ein subkontinentales Frühstück machte.
    Es war halb elf.
     
    Um Viertel nach elf war er glücklich im Präsidium. Lewis, der schon seit drei Stunden im Büro saß, berichtete dem Chef umgehend von seinem Besuch in der Redaktion.
    Zeugnisse, Referenzen, Unterlagen, persönliche Eindrücke und Klatschgeschichten stellten Owens als tüchtigen, fleißigen, angesehenen Angestellten dar. Das war die gute Nachricht. Und die schlechte? Der Mann war distanziert, humorlos und ohne Mitgefühl. Eigentlich, hatte Lewis eingewandt, sei es doch erstaunlich, daß man einen mit solchen Mängeln behafteten Menschen zu einem Seminar für Personalmanagement geschickt hatte, mußte sich aber von dem Zeitungsboss belehren lassen, daß ein gewisses Maß an Distanz, Humorlosigkeit und Gefühlskälte womöglich genau das war, was diese Position erforderte.
    Lewis deutete auf die Klarsichthülle, in der seine gewissenhaft paginierten

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