Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
wo blinde Zerstörungswut mehrere Latten eingetreten und abgerissen hatte, durch den Zaun zwängte und erstaunlich behende den steilen, rutschigen Hang hinunterkletterte, der zum Hintereingang der Häuserzeile führte.
    Die Luft war offenbar rein.
    Morse beobachtete voller Unruhe, wie der Fachmann für Schlösser vor Nummer 15 stand und geduldig und systematisch das tat, worauf er sich so gut verstand. Einmal drückte er sich flach an die Wand, als in einem der Nachbarhäuser das Licht anging, ein gelbes Rechteck auf das naß glänzende Gras zeichnete und gleich wieder erlosch.
    Nach der Uhr des Chief Inspector waren sechs Minuten vergangen, als Johnson den Türknauf drehte, behutsam die Tür öffnete, im Haus verschwand, wieder auftauchte und den angespannten, zappeligen Morse heranwinkte.
    »Soll ich Licht machen?« fragte Johnson, während er den dünnen Strahl seiner großen Taschenlampe durch die Küche wandern ließ.
    »Was meinen Sie?«
    »Warum nicht. Ich zieh rasch die Vorhänge vor.« Er ging ins Wohnzimmer, Morse hörte das Gleiten der Gardinenrollen, dann wurde es hell.
    Ein ganz normales, ziemlich spartanisch eingerichtetes Zimmer: Sofa, zwei mitgenommene Sessel, Eßtisch und Stühle; Fernseher; Elektroheizung im Kamin; und auf dem Kaminsims, den eine dicke Staubschicht bedeckte, der einzige Gegenstand, der einen Einbrecher, der etwas auf sich hielt, möglicherweise interessiert hätte: eine kleine, sehr schön gearbeitete vergoldete Standuhr.
    Das Doppelbett im Obergeschoß war nicht gemacht, ein orangefarbener Frotteebademantel lag unordentlich auf der Steppdecke, ein Schlafanzug war nicht zu sehen. Auf dem Nachttisch lag The Seventh Scroll von Wilbur Smith als Taschenbuchausgabe und eine Packung BiSoDoL Extra-Magentabletten. Ein altmodischer Kleiderschrank aus Mahagoni nahm fast den ganzen verbleibenden Platz ein. Auf Bügeln hingen darin Jacken, Anzüge und Hosen, darunter standen in Reih und Glied sechs Paar Schuhe, auf den Regalbrettern links lagen Stapel von Pullovern, Hemden, Unterhosen, Socken und Taschentüchern.
    Das zweite Zimmer im Obergeschoß war abgeschlossen.
    »Malcolm!« flüsterte Morse in Richtung Erdgeschoß.
    Zweieinhalb Minuten später stand Morse in einem kleineren, aber ungleich vielversprechenderen Raum. Er registrierte einen großen Bücherschrank mit einer Sammlung von Bestsellern vieler Jahre; einen Sessel; einen Bürostuhl vor einem furnierten Schreibtisch mit Kunstlederbezug, rechts und links vier Schubladen und einem länglichen Schubfach in der Mitte, das ebenfalls abgeschlossen war.
    »Malcolm!« flüsterte Morse in Richtung Erdgeschoß.
    Diesmal dauerte es nur neunzig Sekunden. Der Fachmann war offenbar in Bestform. Die acht Seitenfächer enthielten wenig Interessantes: Briefpapier, Versicherungsunterlagen, Autopapiere, Bankauszüge, Kugelschreiber und Bleistifte – und in der untersten Schublade links ein paar Pornos. Morse öffnete aufs Geratewohl Topless in Torremolinos und las einen kurzen Absatz.
    Das Buch war sehr eindeutig, aber überraschend flott geschrieben. Von den Brüsten der Heldin hieß es an einer Stelle, sie sähen aus wie aufgeblähte Rumkugeln, was sich Morse zwar nicht so recht vorstellen konnte, trotzdem aber irgendwie treffend fand. Er merkte sich die Autorin, Ann Berkeley Cox, und las die Widmung auf dem Titelblatt: »Für Geoff von ABC«, dann steckte er das Buch in die Jackentasche.
     
    Johnson saß in einem Sessel im dunklen Wohnzimmer, als Morse mit einem Aktenordner herunterkam.
    »Haben Sie gekriegt, was Sie haben wollten, Mr. Morse?«
    »Vielleicht. Sind Sie soweit?«
     
    *
     
    Im Dunkeln tasteten sie sich zur Küche. Unvermittelt blieb Morse stehen.
    »Geben Sie mal die Taschenlampe her.«
    Er ging zurück ins Wohnzimmer und richtete den Lichtkegel auf den leeren Kaminsims.
    »Stellen Sie das Ding zurück«, sagte er.
    Johnson holte die kleine Standuhr aus der Manteltasche und plazierte sie sorgsam wieder auf der staubfreien Stelle.
    »Bin froh, daß Sie mir draufgekommen sind«, sagte er zutraulich. »Hätt ich nicht tun sollen. Jetzt hab ich wenigstens ein reines Gewissen.«
    Morse wußte wohl, daß in Johnson ein Zug berechnender Grausamkeit steckte, aber alles in allem war er ein liebenswerter und manchmal, wie jetzt, sogar einigermaßen redlicher Halunke. Und merkwürdigerweise schlug jetzt Morse das Gewissen.
    Rasch ging er zurück in das zweite Zimmer und legte das Buch dorthin zurück, wo er es gefunden hatte.
    So leise, wie

Weitere Kostenlose Bücher