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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Bewußtsein zu verlieren, sich übergeben zu müssen, vom Schlag getroffen zu werden oder einen Herzanfall zu erleiden. Einer der Liebenden bei Ovid hatte einst die Pferde der Nacht angefleht, ihr Tempo zu zügeln, auf daß die Morgendämmerung nicht so bald käme. Morse hingegen sehnte, während er sich ruhelos im Bett herumwälzte, einen Hauch von Helle an dem Stück Himmel herbei, das er durchs Fenster sah. In dieser schier endlosen Nacht hatte er sich mehrere Gläser kaltes Wasser, Alka-Seltzer, etliche Tassen schwarzen Kaffee und eine Wochendosis Nurofen Plus einverleibt.
    Aber keinen Alkohol. Keinen Tropfen.
    Denn Morse hatte nun endgültig beschlossen, dem Alkohol zu entsagen.
     
    Um halb acht sah Lewis ins Schlafzimmer des Chief Inspektor (Lewis war der einzige, der einen Schlüssel zu dessen Wohnung hatte).
    Im vornehmen North Oxford hatten die meisten Hausbesitzer längst Einbruchsmelder installiert und einem Nachbarn die Schlüssel zur Alarmanlage gegeben. Bei Morse waren solche Sicherheitsvorkehrungen insofern unnötig, als in seiner Wohnung stehlens- und verkaufenswert allenfalls die CD-Sammlung der Opern Richard Wagners war, für ihn ein alles überragendes Genie, und eine mit großer Hingabe zusammengetragene Sammlung von Erstausgaben des größten Helden in seinem Leben, des pessimistischen Poeten A. E. Housman, der wie Morse vom St. John’s College, Oxford, ohne Abschluß abgegangen war.
    Solch esoterische Neigungen aber hatten nicht einmal die Einbrecher, die sich in North Oxford zu betätigen pflegten.
    Und mit seinen Nachbarn wechselte Morse ohnehin kaum ein Wort.
    »Sie sehen miserabel aus, Sir.«
    »Besten Dank für die Blumen, Lewis. Wissen Sie nicht, daß man sich sofort miserabel fühlt, wenn jemand einem sagt, daß man miserabel aussieht?«
    »Haben Sie sich nicht vorher schon miserabel gefühlt?«
    Morse nickte kläglich.
    »Soll ich Ihnen was zum Frühstück machen?«
    »Nein.«
    »Also die Storrs können wir wohl abhaken. Beide. Ich habe mich im Hotel erkundigt. Und falls sie keinen Hubschrauber gechartert hatten …«
    »Die Cornfords sind auch aus dem Schneider. Zumindest er. Es gibt vier Zeugen dafür, daß er sich zu der bewußten Zeit in und um Oxford die Lunge aus dem Leib gerannt hat.«
    »Und sie?«
    »Da leuchtet mir allerdings das Warum und das Wie nicht ein.«
    »Wenn Owens sie erpreßt hätte …«
    Morse strich sich über das Stoppelkinn. »Das kann ich mir nicht recht vorstellen. Aber irgendwas ist da faul, irgendwas gibt es, was Cornford mir nicht erzählen wollte.«
    »Und was wäre das Ihrer Meinung nach?«
    Morse setzte sich, ohne zu antworten, auf die Bettkante und drehte den Oberkörper nach rechts und nach links.
    »Gut gegen Ischias. Hatten Sie so was noch nie?«
    »Nein.«
    »Sie könnten mir ein Glas Orangensaft aus dem Kühlschrank holen. Den ungesüßten.«
    Als er in die Küche ging, hörte Lewis die Post durch den Briefschlitz fallen.
    Auch Morse hatte das Geräusch gehört.
    »Haben Sie geprüft, um welche Zeit der Briefträger gewöhnlich in die Polstead Road kommt?«
    »Das hab ich Ihnen doch schon gesagt. Sie hatten recht.«
    »So mit das einzige, womit ich bisher recht hatte.«
    »Noch ist nicht aller Tage Abend, Sir.«
    »Könnten Sie mal eben die Taschen ausleeren?« Morse deutete auf Anzug und Hemd, die in genialer Unordnung über dem einzigen Stuhl im Schlafzimmer lagen. »Zeit, daß ich die Klamotten wechsle, vielleicht kriege ich dann zur Abwechslung auch den Fall wieder in den Griff.«
    »Wer ist denn Ihre neue Freundin?« Lewis hielt die Einladung hoch. »›Ich rechne mit Dir, Morse. DC.‹«
    »Das ist eine ganz private …«
    Morse unterbrach sich. Er spürte das vertraute Kribbeln zwischen den Schulterblättern, die Haare auf seinen Unterarmen standen stramm wie Orchestermitglieder, denen der Dirigent nach dem Konzert das Zeichen zum Aufstehen gegeben hat.
    »Herrgott noch mal«, flüsterte er. »Wissen Sie was, Lewis? Ich glaube, Sie haben es wieder mal geschafft!«

50
     
    Montag/Dienstag, 4.-5. März
     
    Die vierläufige Lancaster Howdah hat das Kaliber ’577. Ihren Beinamen verdankt sie der Geschichte, daß Tigerjäger diese Pistole bei sich trugen, wenn sie auf Elefanten unterwegs waren, und sie als Abwehrwaffe verwendeten für den Fall, daß ein Tiger dem Elefanten auf den Rücken zu springen versuchte.
    ( Encyclopedia of Ri fl es and Handguns, ed. Sean Conno l ly)
     
    Für die Familie, für die Protokollaufnehmer und

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