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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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ziemlich dünn, die Silhouette mag sich recht deutlich abgezeichnet haben, aber für den Mörder war es trotzdem ein Risiko. Revolver …« – Lewis hatte es aufgegeben, Morse zu korrigieren – »… Revolver treffen bekanntlich nicht mal aus nächster Nähe zielgenau, und das Projektil mußte eine solide Glasscheibe durchschlagen, so daß es abgelenkt wurde und sie am Hals statt in den Kopf traf. So weit klar?«
    Lewis nickte. Eine besonders profunde Erkenntnis, fand er, war das nicht.
    »Auf Owens hingegen«, fuhr Morse fort, »wurde im Haus und aus etwas größerer Entfernung geschossen. Und zwar in die Brust, nicht in den Kopf. Also ein ganz anderer modus operandi . «
    Lewis lächelte. »Demnach haben wir zwei modusse op e randi .«
    » Modi, Lewis. Und damit möglicherweise zwei Mörder. Auf den ersten Blick erscheint das allerdings recht unwahrscheinlich, denn man kann sich natürlich denken, wie die Unterschiede zustande kamen …«
    »Ich sehe es so, Sir, daß Owens vermutlich von jemandem ermordet wurde, den er kannte. Er muß den Besucher – oder die Besucherin – hereingebeten haben, vielleicht waren sie sogar verabredet. Owens war angezogen und …« Lewis hielt einen Augenblick inne. »Rasiert hatte er sich allerdings nicht …«
    »Ein Typ wie der sieht immer unrasiert aus.«
    »Vielleicht hätten wir das genauer nachprüfen sollen.«
    »Was Sie hoffentlich nicht von mir erwarten. Sie müßten mich lange genug kennen, um zu wissen, daß ich nekrophob bin.«
    »Ja, das wäre es dann auch schon. Aber Rachel hat ihn wahrscheinlich nicht gekannt.«
    »Oder sie.«
    »Sie muß einen Heidenschreck gekriegt haben, als sie das Klopfen am Fenster hörte und hinging, um das Rollo hochzuziehen …«
    »Sie gehen immer noch davon aus, daß beide Morde von derselben Person begangen wurden, Lewis?«
    »Sie nicht?«
    Morse zuckte die Schultern. »Es könnte sich um ein Liebespaar oder ein Ehepaar – oder auch um zwei völlig voneinander unabhängige Menschen gehandelt haben.«
    »Ich will froh sein, wenn wir mit der Routinearbeit ein bißchen weiter sind, Sir«, sagte Lewis mit einem leicht ungeduldigen Unterton in der Stimme. »Was wir bisher gemacht haben, war alles ziemlich ad hoc , finde ich …« Morse registrierte den Latinismus leicht befremdet. »Können wir nicht die Überlegungen noch so lange vertagen, bis wir Gelegenheit hatten, alles ein bißchen besser abzuchecken?«
    »Da rennen Sie bei mir offene Türen ein, Lewis. Genau das werden wir tun. Wir werden noch mal von vorn anfangen. ›In unserem Anfang ist unser Ende‹, hat mal jemand gesagt. Eliot? Oder heißt es ›In unserem Ende ist unser Anfang‹?«
    »Und wo sollen wir Ihrer Meinung nach anfangen, Sir?«
    Morse überlegte.
    »Am besten holen Sie mir erst mal eine Tasse Kaffee. Ohne Zucker.«

51
     
    Dienstag, 5. März
     
    Einem überarbeiteten Menschen, der sich auf eine Arbeitsteilung einläßt, wird immer der schwerste Teil aufgebürdet.
    (Ungarisches Sprichwort)
     
    »Und wo sollen wir Ihrer Meinung nach anfangen?« wiederholte Lewis, während Morse leicht angewidert seinen ungesüßten Kaffee trank.
    »Wenn wir erst angefangen haben, werden wir vermutlich feststellen, daß wir einfach die falsche Perspektive hatten. Wir sind oder zumindest ich bin davon ausgegangen, daß es Owens war, der alle Fäden in der Hand hatte. Als Journalist hatte er Zugang zu pikanten Geschichtchen, und als Mensch war es ihm offenbar eine Genugtuung, wenn er Druck auf seine Mitmenschen ausüben, im Klartext sie erpressen konnte. Nach dem, was wir in Erfahrung bringen konnten, hatte ich den Eindruck, daß die beiden Bewerber um das Amt des Master von Lonsdale möglicherweise erpreßt wurden. Ich hatte den Eindruck, daß beide – zumal Storrs – gute Gründe hatten, Owens zum Teufel zu wünschen. Daß Owens um sein Leben fürchten mußte, wäre mir, wie Sie wissen, nie in den Sinn gekommen.
    Nur hat diese Hypothese natürlich einen Haken. Inzwischen wissen wir, daß weder Storrs noch Cornford – oder ihre Ehefrauen – beide Morde hätten begehen können, und es wird immer unwahrscheinlicher, daß sie auch nur für einen verantwortlich waren. Was bedeutet das nun für uns? Es ist ein bißchen wie beim Kreuzworträtsel. Wenn Sie nicht weiterkommen, merken Sie plötzlich, daß Sie in die falsche Richtung gedacht haben. So ist es vielleicht auch mit diesem Fall. Wenn es nun genau umgekehrt wäre und jemand Owens erpreßt hätte? Wenn Rachel James – wir haben

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