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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Stellvertreter des Personalchefs war, erst letztes Wochenende war er auf einem Management-Seminar.«
    »Glauben Sie wirklich, daß es so war?«
    »Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß es so gewesen sein könnte.«
    »Aber es ist alles so … so verstiegen. Und vorhin haben Sie gesagt, wir müßten erst mal ein paar Fakten zusammentragen.«
    »Eben.«
    Lewis gab sich geschlagen. »Eins wüßte ich allerdings doch gern: wo die Kanone ist.«
    »Die Pistole meinen Sie?«
    »Meinetwegen die Pistole … Wenn wir wüßten, wo die ist …«
    »Wo wir die Pistole vermutlich finden werden, kann ich Ihnen sagen, Lewis …«
     
     

TEIL FÜNF

53
     
    Mittwoch, 6. März
     
    Eine brauchbare Definition des Begriffs Hölle auf Erden wäre es, mehrere Tage oder auch nur mehrere Stunden zwangsweise an einer Konferenz der Young Conservatives teilzunehmen.
    (Cassandra im Daily Mirror , Juni 1952)
     
    Miss Adele Cecil (die das ›Miss‹ dem ›Ms.‹ wie auch die ›Adele‹ der ›Della‹ vorzog) hatte den vergangenen Abend und die vergangene Nacht in London verbracht, wo sie an einer Tagung von Obmännern und -frauen der Essex Young Conservative Association teilgenommen und auf der sie auch gesprochen hatte. Achtunddreißig dieser wichtigen Persönlichkeiten hatten sich im Durrants in der George Street, einem traditionsreichen und geschmackvoll eingerichteten Hotel mit guten Betten gleich hinter der Oxford Street, zusammengefunden. Die Atmosphäre war nüchtern-geschäftsmäßig gewesen, und die meisten Delegierten hatten in den ihnen zugewiesenen Zimmern auch die Nacht verbracht.
    Als sie ziemlich früh im Restaurant saß, ihre frische Grapefruit vor sich – danach hatte sie ein English Breakfast bestellt –, teilte der Oberkellner ihr mit, daß jemand sie am Telefon sprechen wollte, und sie nahm das Gespräch in einer der Kabinen vor dem Frühstücksraum entgegen.
    »Woher wußten Sie, daß ich hier bin?«
    »Wozu bin ich schließlich Detective? Erinnern Sie sich nicht mehr an mich?«
    Sie erinnerte sich deutlich an den weißhaarigen, arrogant-ironischen Kriminalbeamten, den sie nie wiedersehen wollte.
    »Ich bin erst gegen Mittag wieder in Oxford.«
    »Treffen wir uns im Trout ! Halb eins?«
    Während sie sich über Eier, Speck, Pilze und Würstchen hermachte, mußte sie die gutmütigen Spitzen ihrer Tischgenossen ertragen.
    »War’s dein Liebster?«
    »Konnte es wohl nicht erwarten.«
    »Zu beneiden, der Mann.«
     
    Im Lauf ihres relativ kurzen Lebens war Adele etwa zwei Dutzend Männern unterschiedlichen Alters freundschaftlich verbunden gewesen. Mit vielen hatte sie auch geschlafen, allerdings selten mehr als ein- oder zweimal, und nie ohne sich zu vergewissern, daß zuverlässige Kondome zur Hand waren und der AIDS-Test noch nicht allzulang zurücklag.
    Die Männer waren alle gleich. Fast alle jedenfalls. Immer mußten sie sofort am Rückenverschluß des BH herumfingern. Oder heutzutage am Vorderverschluß. Warum freute sie sich dann sogar ein bißchen auf die Verabredung zur Mittagszeit? Unsinn, sagte sie sich ärgerlich, während sie den Rover parkte, die schmale Straße unter der Brücke überquerte und an die Bar trat.
    »Was nehmen Sie?«
    »Orangensaft und Limonade, bitte.«
    Sie saßen sich an einem niedrigen Holztisch gegenüber, und Morse fiel sofort wieder auf, wie attraktiv sie war. Sie trug ein schmal geschnittenes anthrazitgraues Kostüm mit einer Stehkragenbluse in Oxfordblau. Das aschblonde Haar glänzte matt.
    Morse sah auf sein zweites Pint London Pride hinunter.
    »War es eine erfolgreiche Tagung?«
    »Sehr erfolgreich«, schwindelte sie.
    »Freut mich«, schwindelte er.
    »Stört es Sie?« Sie hielt die Zigarette hoch.
    »Tun Sie sich keinen Zwang an.«
    Sie streckte ihm die Packung hin.
    »Äh, danke. Im Augenblick nicht.«
    »Ja dann …«
    »Ich habe nur noch ein, zwei Fragen.«
    Sie lächelte charmant. »Schießen Sie los.«
    Morse beschlich ein Gefühl von Paramnesie. Déjà vu . »Sie haben bereits eine Aussage über den Morgen gemacht, an dem Rachel ermordet wurde?«
    »Ja, und das dürfte Ihnen auch bekannt sein.«
    »Und es war die Wahrheit?« fragte Morse unverblümt. »Sie könnten sich nicht eventuell getäuscht haben?«
    »Natürlich nicht.«
    »Sie haben mir erzählt, daß Rachel sich gelegentlich bei Ihnen ausgeweint hat – ich glaube, so haben Sie es formuliert.«
    »Ja und?«
    »Haben Sie auch über Freunde gesprochen?«
    »Und Garderobe und Geld und den Job …«
    »Wußten

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